SWR3 Gedanken

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Wie aus Verzweiflung Schuld wird

Wie verzweifelt muss ein Mensch sein, wenn er sogar sein eigenes Kind tötet? Die Altenpflegerin Ellen aus Kapstadt in Südafrika hat es getan. Sie hat ihren fast erwachsenen Sohn getötet. Warum? Sie hat es nicht mehr mit ansehen können, wie er sein Leben und das Leben seiner Familie zerstört. Seine Mutter sagt sogar: er war kein Mensch mehr, sondern ein Monster.
Ihre Tat kann ich nicht verstehen. Ich kann nur ihre Verzweiflung erahnen. Dabei geht es vielen Müttern in den Townships von Südafrika so wie Ellen. Armut und ungerechte Verhältnisse haben ganze Familien entzweit und gegeneinander aufgebracht. Die Jugend rebelliert und ihre Hoffnung auf eine bessere Welt wird jeden Tag aufs Neue enttäuscht. Mit Alkohol und Drogen beamen sie sich aus der Realität in eine Traumwelt. Gewalt ist an der Tagesordnung, denn sie brauchen Geld und haben so Macht über andere.
Ellen trifft sich mit anderen Müttern regelmäßig in den Räumen einer Kirchengemeinde. Sie hören einander zu und trösten sich gegenseitig. Ihr Glaube gibt ihnen Mut. Sie beten miteinander für ihre Kinder. Und doch lässt sie ihre Verzweiflung nicht los.
Nachdem sie ihren Sohn getötet hat, stellt sich Ellen der Polizei. Sie wird zu drei Jahren mit Bewährung verurteilt. Und sie bekommt die Auflage, ihre Geschichte in Schulen und Kirchen zu erzählen. Die Richterin sagt bei der Urteilsverkündigung: „Die Botschaft muss sein: Mord ist keine Antwort!" Und Ellen erzählt ihre Geschichte und macht anderen Eltern Mut, für ihre Kinder zu kämpfen: für mehr Therapieplätze und ambulante Hilfsangebote. Sie erzählt von ihrem Schmerz, der sie seitdem nicht mehr los lässt. Und von ihrer Schuld, mit der sie jetzt leben muss. Und sie erzählt von ihrem Glauben, den sie trotzdem nicht verloren hat.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10476
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