SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken


Mittags in der Uni-Mensa. Gedränge, Warteschlangen, Hektik;
endlich hat er mit dem Menü auf dem Tablett einen Platz gefunden.
Andreas K. setzt sich – und macht erst mal eine Pause;
kriegt ein gesammeltes, etwas entferntes Gesicht –
aber nur kurz; dann greift er sich mit der rechten Hand
an die Stirn – dann auf die Brust, auf die linke
und schließlich an die rechte Schulter: Er macht ein Kreuzzeichen.
Offenbar hat er gebetet, vor dem Essen.
Gott gedankt für seine Gaben, um Segen gebetet für das Essen,
für ihn selbst – und wahrscheinlich auch für die vielen hier in der Mensa,
die nicht beten vor dem Essen.
Haben das noch nie getan; haben es abgelegt,
als sie aus dem Elternhaus gegangen sind.
Oder finden es peinlich: in der Öffentlichkeit beten!!?
Dass sie es peinlich finden, zeigen manche auch.
Die gucken gezielt weg; die gucken demonstrativ und grinsend hin.
Tuscheln irgendwie…
Ausgerechnet ein muslimischer Student hat ihn mal angesprochen:
hat sich gewundert, dass es so was auch in Deutschland gibt,
dass einer ein Tischgebet spricht, bevor er reinhaut.
Andreas fällt das auch nicht unbedingt leicht.
Und wäre es nur eine kindische Gewohnheit, so ein Rest aus dem Elternhaus:
Er hätte es vermutlich längst abgelegt.
Oder würde vielleicht noch beten – aber lieber ohne Kreuzzeichen.
Aber er tut es bewusst und macht deutlich sein Kreuzzeichen.
„Mach das Kreuz nicht zu klein“, hat mal ein Theologe gesagt.
Denn als Christ stehst du unter dem Kreuz –
und das sollst und darfst du auch zeigen.
Es ist das Zeichen deiner Befreiung, deines Segens, deiner Hoffnung.
Heute ist Karfreitag,
und in den Kirchen steht der Gekreuzigte im Mittelpunkt;
Jesus, den sie grausam gefoltert und hingerichtet haben
an diesen gekreuzten Balken.
Aber dann kommt Ostern – der Anfang unserer Hoffnung
auf wirkliches Leben – vor und nach dem Tod.
Das Kreuz ist das Zeichen unserer Hoffnung, das leere Kreuz.
Und deswegen ist es richtig: mach das Kreuz nicht zu klein!
Mehr hast du nicht zu sagen, und an nichts anderem hältst du dich fest.

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