SWR2 Wort zum Tag

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Angola (4)

Ende März habe ich in Angola an einem Gottesdienst teilgenommen. Es war Sonntag in einer neu entstandenen Pfarrei mitten in einem der riesigen Slums der Hauptstadt Luanda. Nur mit einem Geländewagen  mit Allradantrieb war es möglich, dorthin zu kommen, denn der letzte Gewitterregen hatte mitten in der Stadt tiefe Schlammlöcher in den unbefestigten Straßen hinterlassen und den Weg teilweise fast unpassierbar gemacht. In der provisorischen Kirche, einem großen Wellblechdach auf Holzstützen über unbefestigtem Boden hatten sich etwa 200 Erwachsene und über 100 Kinder versammelt - alle festlich gekleidet. Ein Frauenchor stimmte die Lieder an, und wie so oft bei meiner Reise habe ich erlebt, dass müde Gesichter, stumpfe Augen sich mit Leben füllen, wenn die Menschen singen. Die Leute bitten mich, den Gast, einige Worte zu den Bibeltexten des Sonntags zu sagen - Bibeltexte, die an diesem Tag überall auf der Welt in katholischen Gottesdiensten vorgetragen wurden. Sie sprechen von einem Glauben, der die Menschen über Grenzen hinweg verbindet. Vom Wasser handelten diese Texte, von lebendigem Wasser. Wasser ist rar in Angolas Hauptstadt Luanda. In den Elendshütten gibt es überhaupt kein fließendes Wasser, und selbst in besseren Wohngegenden kommt nur zweimal am Tag jeweils eine Stunde lang frisches Wasser aus der Leitung. Ich hatte auch gesehen, wie Menschen in der Stadt aus verschmutzten Löchern Wasser schöpften oder sich darin wuschen. Menschen sind auf Wasser angewiesen, es ist lebensnotwendig, selbst wenn es verschmutzt und verdorben ist. Im Gottesdienst habe ich gemerkt, wie die Menschen ihre eigenen Erfahrungen mit dem biblischen Bild des Wassers verbunden haben. Aufmerksam hörten sie in der zunehmenden Hitze des frühen Tags zu. Für sie bedeutet Durst nach Wasser Sehnsucht nach einem Leben, das nicht von Krankheit und Tod durchdrungen ist. Ein Leben, in dem sich die verfeindeten Menschen nach jahrzehntelangem Krieg und Bürgerkrieg versöhnen lernen. Ich habe die vielen Kinder gesehen: hoffentlich hält das Leben für sie einmal mehr bereit als den täglichen Kampf um die nackte Existenz. Im Evangelium dieses Sonntags sagt Jesus: Ich bin das lebendige Wasser - Wasser, das nicht jeden Tag neu geschöpft werden muss und immer wieder verdirbt. Wasser, das Leben in einem umfassenden, ja unfassbaren Sinn meint. Für die Menschen in dem Slum in Luanda bedeutet dieses Evangelium viel, das habe ich gespürt. Es ist nicht einfach ein gewohnter, oft gehörter Bibeltext, sondern eine ungeheure Hoffnung. Eine Hoffnung, die so unendlich weit reicht wie ihre Sehnsucht nach Leben und Frieden. Ihr Alltag widerspricht dieser Hoffnung zumeist. Aber sie könnten nicht leben und ihren oft so mühseligen Alltag bestehen ohne diese Hoffnung.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10447
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