SWR2 Wort zum Tag

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Angola 3

Ende März habe ich an einer internationalen Friedenskonferenz in der angolanischen Hauptstadt Luanda teilgenommen. Zu den eindrucksvollsten Erlebnissen dieser wirklich nicht eindrucksarmen Reise gehört für mich die Begegnung mit einem spanischen Missionar. P. Benedicto heißt er. Der kleine, unscheinbar wirkende Mann hat sich auf eine besondere Weise der Versöhnung in diesem zerrissenen Land verschrieben. Er kümmert sich um das Schicksal von Kindersoldaten, sorgt dafür, dass sie ihre versäumte Schulbildung nachholen können - vielleicht auch, so weit  das überhaupt möglich ist, ihre verratene, zerstörte, verlorene Kindheit. In seinem fast einstündigen Vortrag hält er die Augen geschlossen - und zieht dennoch die Zuhörer in seinen Bann. Vielleicht sieht er vor seinem inneren Auge die jungen Menschen, denen er seine Arbeit und sein Leben widmet: Schicksale von Jugendlichen, Kinder noch, 12, 13, 14 Jahre alt. In der Zeit des Bürgerkriegs waren sie aus ihren Dörfern, ihren Familien verschleppt und zum Töten abgerichtet worden. Über 6.000 hat P. Benedicto in Angola kennen gelernt. Er beschreibt seinen Weg zu ihnen und mit ihnen in mehreren Stufen. Manche gehörten zu den Gemeinden, die er betreut hatte. Eines Tages waren sie verschwunden. Und eines Tages begegnet er ihnen wieder. Scheu sind sie geworden, misstrauisch, verletzt. Nur mühsam gelingt es ihm, das Vertrauen der früheren Jahre wieder herzustellen. Und nach und nach öffnen sie sich, erzählen davon, wie sie als Opfer zu Tätern geworden sind, wie sie gemordet haben, um selbst zu überleben. „Gibt es für uns überhaupt noch Vergebung?", fragen ihn die Kinder. Ich muss die leidenschaftlich vorgetragenen Erinnerungen von P. Benedicto abkürzen: Wie er die jungen Menschen bewegen konnte, ihre erschütternden Lebensbeichten abzulegen und wie er ihnen die Botschaft von einem vergebenden Gott nahezubringen versuchte. Wie es ihm sogar gelungen ist, über seine Schützlinge Zugang zu den Camps der Bürgerkriegsmilizen zu bekommen und mit den Kommandeuren Kontakt aufzunehmen. Ein abenteuerlich gefährliches und mutiges Unterfangen, denke ich und bin zugleich berührt von der fast naiv anmutenden, gläubigen Unerschrockenheit dieses Mannes: Er verteilt aus Patronenhülsen geschmiedete Kreuze an die jungen und die erwachsenen Kämpfer  und Taschenbuchausgaben des Neuen Testaments, die sie in die Brusttasche ihrer Uniformjacke stecken können. Und er macht sie vor allem auf die Worte der Bergpredigt aufmerksam: „Selig die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden." Mein Gott, denke ich, welch ein Menschen verändernder, Frieden schaffender, Berge versetzender Glaube!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10446
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