SWR2 Wort zum Tag

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Angola 2

„Ehrlichkeit und Vergebung" - zu diesem Thema sollte ich Ende März in Angola sprechen. Die angolanische Bischofskonferenz und die Caritas Angola hatten zu einer internationalen Friedenskonferenz in in die Hauptstadt Luanda eingeladen. „Den Frieden aufbauen in Angola", so lautete das Thema dieser Konferenz. Den Frieden aufbauen - in einem zerrissenen und geschundenen Land. Vierzig Jahre hatte dort Krieg geherrscht, Unabhängigkeitskrieg und Bürgerkrieg. Jetzt herrscht in Angola unter einem Militärregime Friedhofsruhe, aber Friede ist das nicht. Misstrauen und Feindseligkeit sind überall greifbar. Was sollte ich den Menschen dort sagen - als Weißer und als Bürger eines sicheren und wohlhabenden Landes? Ein Weg zu Versöhnung und innerem Frieden ist sicher dringend notwendig für Angola. Aber kann ich, darf ich die Menschen dort belehren? Ich entschließe mich, von Deutschland zu erzählen, am Ende des Zweiten Weltkriegs und nach dem Zusammenbruch der DDR. Wie schwierig es war mit der Vergangenheit zurecht zu kommen und in eine neue Zukunft aufzubrechen. Wie lange es gebraucht hat, bis wir uns hier wirklich ehrlich mit den Verbrechen der Nationalsozialisten auseinandersetzten. Wie mühsam es war und ist, den Sumpf von Verrat in der DDR zu klären, wo Freunde, ja Ehepartner einander an die Staatssicherheit verraten haben. Und wie mühsam es ist, dass zwei einander fremd gewordene deutsche Gesellschaften zu einander finden. Ich habe gespürt, wie aufmerksam mir die Konferenzteilnehmer zugehört haben. In einer zerstrittenen und zerrissenen Gesellschaft einen Weg der Versöhnung finden - wie schwierig das ist, das wissen sie selbst. Wie schwer es ist, Schuld einzugestehen. Ist es nicht menschlich normal, dass wir eigene Schuld zu verdrängen, zu verschweigen, wegzuwaschen versuchen? Je schwerer die Schuld, desto mehr? Und welch fast übermenschliche Herausforderung bedeutet es,  dem Peiniger zu verzeihen? Ein Pfarrer in Luanda, der der Regierungspartei MPLA nahesteht, kann einem Kirchengemeinderat seiner Pfarrei immer noch nicht die Hand geben, weil dieser im Bürgerkrieg der gegnerischen Partei Unita angehört hat. Und ein Bischof erzählt im persönlichen Gespräch, er müsse heute mit Regierungsvertretern verhandeln, die einmal seine Familie ermordet haben. Welche menschliche Last - auf Jahre hinaus! Ehrlichkeit und Vergebung. So hieß mein Vortragsthema. „Vergib uns unsere Schuld, so wie wir denen vergeben, die an uns schuldig geworden sind." Selten ist mir diese Bitte aus dem Vater Unser so aktuell und konkret erschienen. Eine Bitte aus dem Gebet um das Kommen des Reiches Gottes. Die umfassende, Mensch und Schöpfung durchdringende Versöhnung ist die große Vision des Glaubens. Der Weg dorthin heißt Ehrlichkeit und Vergebung. Es ist ein langer Weg. Und er erfordert viel Mut.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10445
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