SWR2 Wort zum Tag

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Angola 1

Manchmal sind wir fast blind dafür, wie sicher wir leben und unter welch glücklichen Umständen, und wie wertvoll der Friede ist, der unserem Land seit Jahrzehnten geschenkt ist. Mir ist dies einmal mehr bei einer Reise nach Angola deutlich geworden, von der ich vor wenigen Tagen zurückgekehrt bin. Ich hatte an einer internationalen Konferenz in der Hauptstadt Luanda teilgenommen, zu der die angolanische Bischofskonferenz und die Caritas Angola eingeladen hatten. „Construindo a paz em Angola" war ihr Thema - „den Frieden aufbauen in Angola". Friede in Angola? Seit neun Jahren schweigen dort die Waffen, seit die verfeindeten Parteien nach einem 30-jährigen blutigen Bürgerkrieg einen Waffenstillstand geschlossen haben. In den zehn Jahren zuvor hatten die Angolaner um ihre Unabhängigkeit von der portugiesischen Kolonialmacht gekämpft. Ihre Städte und Dörfer, ihre Bahnlinien und Industrieanlagen waren damals auch von den Truppen der südlichen Nachbarländer Namibia und Südafrika bombardiert worden.Als ich mich im Flugzeug der Hauptstadt Luanda nähere, sehe ich schon von weitem  die Wellblechdächer abertausender Elendshütten. Die Menschen waren während des Bürgerkriegs in die Hauptstadt geflohen, weil sie dort einigermaßen sicher sind. Dort leben sie seither unter Verhältnissen, deren Elend wir uns hierzulande kaum vorstellen können. Zurückkehren in ihre zerstörten und durch Landminen gefährdeten Dörfer können sie noch lange nicht. Ist das Friede? „Friede ist mehr als das Schweigen der Waffen", sagt Dom Gabriel Belingi, der Vorsitzende der angolanischen Bischofskonferenz, bei der Eröffnung des Kongresses. Friede sei eine Frucht der Gerechtigkeit und der Liebe, sagt er. Was er gemeint hat, konnte ich mit eigenen Augen sehen. Über dem Land liegt ein lähmender Schleier von unterdrückter Meinungsfreiheit. Die Menschen begegnen einander misstrauisch, ja oft mit Feindseligkeit, vor allem einem Fremden wie mir. Damit ausländische Investoren bauen können, werden die Hütten der Armen einfach abgerissen und die Menschen irgendwohin verfrachtet. Das Land ist reich an Bodenschätzen, aber davon profitiert nur eine kleine Oberschicht und eine Clique korrupter Militärmachthaber. Der Löwenanteil des Staatshaushalts fließt ins Militär und nicht in Bildung oder ein Gesundheitssystem; und so müssen weiterhin viele Kinder an Unternährung sterben und Erwachsene an Tuberkulose oder Aids. Überall an den Straßen versuchen die Menschen - zumeist Frauen - irgendetwas zu verkaufen, um mit ihren Familien zu überleben. Und immer wieder werden sie von der Polizei abkassiert und weggejagt. Friede sieht anders aus. Dass wir hier friedlich und sicher leben können, ist alles andere als selbstverständlich. Aber Friede ist nicht teilbar, er ist ein Menschenrecht für alle. Ich will die Bilder eines zerrissenen und geschundenen Landes und die Begegnung mit Menschen, die sich nach nichts als nach Frieden sehnen, nicht verdrängen. Sie lassen mich unruhig bleiben. Das ist gut so.

 

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