SWR2 Wort zum Tag

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Im Mittelpunkt des Karfreitags steht das Kreuz, an dem Jesus gestorben ist.
Als Symbol taucht das Kreuz in vielen Kulturkreisen auf, auch schon in vorchristlichen Epochen. In ihm treffen sich Waagrechte und Senkrechte, und so weist es hin auf die Beziehung von oben und unten, Himmel und Erde. Es verbindet entgegengesetzte Punkte, ist deshalb auch Sinnbild der Einheit von Extremen. Die Kreuzbalken stehen für die vier Himmelsrichtungen und die vier Elemente Wasser, Feuer, Luft und Erde. So ist das Kreuz auch ein Symbol der Ganzheit, des Kosmos.
Für Christen hat es durch die Hinrichtung Jesu eine eigene Bedeutung bekommen.
Der römische Geschichtsschreiber Tacitus berichtet in seinen Annalen über die frühe christliche Gemeinde in Rom und schreibt dabei: ”Der Stifter dieser Sekte, Christus, ist unter der Regierung des Tiberius durch den Prokurator Pontius Pilatus hingerichtet worden.” (Buch 15,44, cit. Brockhaus-Enzyklopädie Bd. XI; 1990, 171). Hier bezeugt also eine Quelle außerhalb der Bibel, daß Jesus gelebt hat und daß er hingerichtet wurde. Tacitus schreibt nicht, wie das geschah, aber wir wissen aus anderen Quellen, daß Verbrecher, die keine Römer waren, damals üblicherweise gekreuzigt wurden. Das galt als besonders entehrend. Man strafte damit vor allem Mörder, Verräter und Rebellen.
Es dauert deshalb geraume Zeit, bis der Schandpfahl des Kreuzes für die Christen zu einem positiven Zeichen wird. Das erste mit einem Datum versehene Kreuz auf einem christlichen Denkmal findet sich im Jahr 134 in Palmyra in der syrischen Wüste.
Häufiger werden die Kreuze dann etwa ab dem 4. Jahrhundert, hier besonders auf Sarkophagen. Manche zeigen nur das Kreuz, andere auch den Gekreuzigten. Hier ist es also zu einem Heilszeichen geworden, zum Symbol für die Nähe zu Christus im Tod und für die Hoffnung auf Auferstehung.
In den folgenden Jahrhunderten bis heute werden das Kreuz und der Gekreuzigte auf unzählige verschiedene Arten dargestellt. Dabei stehen entweder Qual und Todeskampf im Vordergrund, oder das Leiden ist schon überstanden, das Kruzifix strahlt Ruhe und Würde aus, es zeigt den Auferstandenen, siegreich, sogar triumphierend.
Damit knüpft das christliche Kreuz an die Symbolik aus anderen Zeiten und anderen Religionen an: Kreuz als Zeichen von Leben, Licht, Ganzheit, Verbindung der Extreme. Aber es enthält auch ein ganz anderes Element. Zu ihm gehört Tod, Zerstörung, Leiden, Einsamkeit, ein verfinsterter Himmel. Es ist auch Zeichen der tiefsten Gottverlassenheit und Verzweiflung.
Das christliche Kreuz ist nicht Symbol einer harmonischen Welt. Aber es steht für eine Hoffnung auf Leben, die den Tod nicht leugnet und das Leid nicht beschönigt.
Das ist das Eigene des christlichen Kreuzes, daß es die äußerste Spannung aufnimmt. Tod und Leben, Tod im Leben, Leben im Tod.
Gott ist mit uns in dieser Spannung, darauf zu vertrauen, fordern uns die kommenden Tage auf. Im Bild des Kreuzes und des Gekreuzigten finden wir beides: daß wir teilhaben am Leben und daß wir sterben müssen. Das christliche Kreuz gibt Raum für die ganze Breite der Erfahrung. Es hat Platz für Tod und Leben.
Viele Menschen haben ihr Kreuz, das daheim irgendwo hängt, oder in einer Kirche, die sie hin und wieder besuchen, oder das sie bei sich tragen.
Vielleicht ist es gut, mit dem persönlichen Bild des Kreuzes und des Gekreuzigten im Gespräch zu bleiben, es zu befragen, zu klagen, zu widersprechen und sich trösten und aufrichten zu lassen.
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Karfreitag. https://www.kirche-im-swr.de/?m=1040
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