SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Gründonnerstag. Heute wird an ein Mahl erinnert, das letzte Mahl Jesu. Die Bibel erzählt, daß Jesus dabei seinen Jüngern Brot und Wein gereicht und zu ihnen gesagt hat: Nehmet hin, das ist mein Leib für euch. Trinkt aus diesem Becher, das ist mein Blut für euch. Mit andern Worten heißt das doch: Nehmt mich, stärkt euch an mir. Zehrt von mir. Nehmt mein Leben und macht es zur Lebenskraft für euch. Ich möchte auch, ohne die Ehrfurcht zu vergessen, einmal übersetzen: Freßt mich auf! Und spätestens mit diesem Ausdruck bin ich im eigenen Leben: Gefressenwerden – mindestens die Angst davor, das kenne ich. Der Übergang ist schleichend, von der Freude, gebraucht zu werden, zu dem bedrohlichen Gefühl: jetzt geht es an die Substanz. Und auch das Umgekehrte kenne ich: selber andere zu brauchen, von ihnen zu zehren und dabei Kraft zu gewinnen. Wir leben voneinander, andere von mir, ich von andern – manchmal aus dem Überfluß, wenn Körper und Seele gerade aus dem Vollen schöpfen können. Aber auf die Dauer und aufs Ganze lebt einer von der Substanz des andern. Die Bandscheiben der Krankenschwester und die Lungen des Verkehrspolizisten sind früher oder später verbraucht.
Ich sträube mich immer wieder gegen dieses Lebensgesetz. Aber ich glaube auch, daß es dem Sinn des Lebens näher kommt, ja, daß es glücklicher macht, das Leben zu verbrauchen, statt es zu bewahren.
Der Niederländer Huub Oosterhuis sagt in einem Gebet:
Die Menschen müssen füreinander sterben.
Das kleinste Korn, es wird zum Brot,
und einer nährt den andern.
Und Oosterhuis fährt fort:
Den gleichen Weg ist unser Gott gegangen;
und so ist er für dich und mich
das Leben selbst geworden. (vgl. Gotteslob Nr 183.)
Diese Zeilen fassen für mich die tröstliche Botschaft des Gründonnerstags. Gott ist mit uns in diesem Lebensgeheimnis, daß wir nicht umhin können, einander zu verbrauchen. Zehren und Verzehrtwerden , Saugen und Ausgesaugtwerden sind kein tödlicher Prozeß, sondern bringen Leben hervor. „Nehmt und esst, das ist mein Leib. Nehmt und trinkt, das ist mein Blut, für das Leben der Welt.“
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Gründonnerstag. https://www.kirche-im-swr.de/?m=1039
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