SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Eine Leuchtreklame an einem Kirchturm? Der Anblick ist ungewöhnlich. Und doch: Mitten im Kölner Zentrum trägt der Kirchturm von Sankt Peter leuchtende Buch-staben. Aber keine Werbung leuchtet da, sondern eine simple Zeile: »Don’t wor-ry«. An den anderen drei Kirchturmseiten ist der englischen Slogan übersetzt: ins Lateinische, ins Griechische – und ins Deutsche. Sorge dich nicht.
»Don’t worry« heißt die Lichtinstallation des Londoner Künstlers Martin Creed. Ein auf den ersten Blick banales Kunstwerk. Wem fällt nicht die Fortsetzung ein: »Be happy«? Sei glücklich! Inklusive leichtes Lebensgefühl und gute Laune.
Ein Satz allerdings, der mit dem Ort spielt, an dem er steht: einer Kirche. „Sorge dich nicht“. scheint da allerdings falsch am Platz zu sein. Ist hier nicht eher Sorge nötig? Sorge um den christlichen Glauben, der sich in einem Wettbewerb befindet mit allen möglichen Lifestyleangeboten? Sorge um den Zustand der Kirchen, ihre Fehler, ihre Engstirnigkeit?
»Sorge dich nicht« steht in der Bibel. In der Bergpredigt, dieser großen Predigt Jesu, heißt es: „Sorgt euch nicht um euer Leben und darum, dass ihr etwas zu essen habt, noch um euren Leib und darum, dass ihr etwas anzuziehen habt.“ (Mt 6,25) Jesus ruft hier aber nicht zum fahrlässigen Umgang mit sich auf. Ganz im Gegenteil. Er beharrt darauf, dass es eine Sorge gibt, die allen anderen Sorgen vorausgeht. Die Sorge um Gottes Reich. Die ganzen alltäglichen Sorgen sind da nachrangig. Denn wer sich nur um die alltäglichen Dinge des Lebens bemüht, der kann kein offenes Ohr für das Wort Gottes haben. Wer viel besorgen muss, der hat keine freie Hand für den Nächsten. Kurz: Wer sich sorgt, verpasst das We-sentliche.
„Sorge dich nicht“ heißt also: Lass dich nicht von der alltäglichen Sorge auffres-sen. Sie lähmt, sie macht unfrei. Sie verkrampft. „Sorge dich nicht“ heißt: Bleib gelassen auch in den Stürmen des Alltags. Nur: Wie geht das? Wie erkenne ich unnötige Sorgen? und wie löse ich mich von ihnen ? Ich kenne kein allgemein gültiges Rezept für mehr Gelassenheit. Und ich glaube: Deshalb leuchtet der Satz „Sorge dich nicht“ in vier Sprachen vom Kirchturm. Es gibt viele Möglichkeiten, die eigenen Sorgen auf ein rechtes Maß zu bringen. Jede und jeder ist aufgefor-dert, diese Zeile für sich persönlich zu übersetzen. Mich ermutigt diese Leucht-schrift. Sie macht mir ein Angebot: das Angebot, frei zu sein. Frei, für die wirklich wichtigen Dinge des Lebens.

Martin Creed: »Work No. 252, Don’t worry«, 2000, Dauerinstallation an der Kölner Kunst-Station St. Peter.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1038
weiterlesen...