SWR3 Gedanken

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Bei uns in der Kirche hängt ein Tuch mit einem großen Bild im Altarraum. Ein sogenanntes Hungertuch. Immer in der Fastenzeit wird eines aufgehängt. Das kirchliche Hilfswerk Misereor wählt ein Motiv aus. Dieses Jahr:
Kleine Wellblechhütten vor großen Öltanks und Bohrtürmen im Hintergrund. Ein Slum. Aber dieser Slum ist anders. Die Öltanks und Fördertürme sind weiß, bleiben unauffällig. Die Hütten dagegen hat der Künstler Sokey Edorh aus Togo in grellbunten Farben gemalt. Und auch die Menschen in dem Slum. Es gibt sehr unschöne Szenen: jemand ist eingeschlossen, ein anderer liegt sterbenskrank auf einer Pritsche, Demonstranten sind unterwegs. Es gibt aber auch Szenen, die hoffen lassen: Ein Lehrer erteilt Unterricht, eine Schwester kümmert sich um Kranke, Kinder fahren mit dem Fahrrad. Die zentrale Szene: eine Frau bringt frisches Wasser. Groß ist die Frau, kraftvoll zieht sie den Karren. Kinder helfen ihr dabei. Die Frau trägt einen leuchtend gelben Rock und eine saubere blaue Bluse. Das Wasser hüpft fast fröhlich aus dem Fass, das die Frau zieht. Hinein in den Slum. Dort wo die Frau die Hüttenstadt betritt wird es hell. Das Licht kommt von oben. Strahlt wie ein Scheinwerfer auf die Frau, bildet um sie einen Kreis. Fast so wie ein Heiligenschein. Die Lichtquelle ist eine Taube. Der Geist Gottes. Er fällt auf die Menschen herab. Hüllt alle, die helfen in sein Licht. So kommt die Farbe in den Slum, das Leuchten, die Hoffnung. Weil Menschen sich engagieren und weil dadurch Gott wirken kann. Ein schönes Bild: Das Triste und Dunkle kann durch uns verändert werden. Der Geist Gottes gibt uns die Kraft dafür. Kein Wunder, dass das Bild von Sokey Edorh als diesjähriges Misereor-Hungertuch ausgewählt wurde. Ein Bild, das - gerade in der Fastenzeit vor Ostern - unseren Hunger nach Gerechtigkeit wecken möchte.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10329
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