SWR2 Wort zum Tag

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Fasten Sie auch? Viele geben bei Befragungen an, in den sieben Wochen vor Ostern zu fasten und in dieser Zeit auf Schokolade, Alkohol, Fernsehen, Internet oder ähnliches zu verzichten, um wieder bewusster oder einfach auch gesünder zu leben.
Vom einem Verzicht besonderer Art erzählt eine Geschichte in der Bibel, die als salomonisches Urteil in die Literatur eingegangen ist (1. Kön. 3,18-28): In den Büchern der Könige Israels wird von einer Frau berichtet, die sich mit einer Anderen darum streitet, wem das Kind gehört, von dem beide behaupten, sie hätten es geboren. Eines der Neugeborenen ist gestorben, eines lebt. Beide Frauen wollen das Kind haben. Jede sagt: Es ist meines. Beide Frauen haben denselben schlechten Ruf. Man weiß nicht, wem man glauben soll. Der kluge und weise König Salomo hört sich den Streit an. Und hat eine Idee: Zerteilt das Kind mit dem Schwert, sagt er zu ihnen. Jetzt, gleich hier. Wenn ihr euch nicht einig werdet, bekommt eben jede einen Teil. Daraufhin geschieht, was der kluge Richter Salomo erwartet hatte: Die Mutter des Kindes sagt: Nein. Gebt der Anderen das Kind, aber lasst es leben. So findet Salomo heraus, welche der beiden Frauen die Wahrheit gesagt hatte.
Die Mutter des Kindes verzichtet. Die Liebe bringt sie dazu. Als das Leben ihres Kindes gefährdet ist, nimmt sie sich zurück und sagt: Ich verzichte auf mein Recht. Ich verzichte darauf, in dieser Auseinandersetzung zu gewinnen. Die Unversehrtheit des Kindes hat Vorrang vor ihren eigenen Bedürfnissen und Interessen. So rettet sie ihr Kind. Ihr Verzicht bedeutet Leben - für das Kind und für sie selbst.
Dass Menschen aus Liebe sagen: Ich verzichte. Ich bestehe nicht auf dem, was mir eigentlich zusteht - das kommt vermutlich es gar nicht so selten vor, in der Familie, in Partnerschaften, in Freundschaften.
Aus eigener Erfahrung weiß ich: Wenn ich das resigniert oder verbittert tue, weil ich keine Chance habe oder es am Ende ein Sieg wäre, der mir letztlich schadet, dann ist es kein Verzicht, mit dem ich etwas gewinne. Denn dann klingt immer der Vorwurf mit: Eigentlich hätte ich ... - eigentlich hättest du ...
Aber wenn die Liebe, der ich damit Ausdruck geben kann, mein Herz mehr erfüllt als das Recht-Haben und Recht-Behalten, dann ist dieses Verzichten ein Gewinn. Denn damit bleibe ich im Einklang mit dem, was mir wichtig ist.
Vielleicht macht mich das Verzichten traurig. Aber weiß ich jetzt schon, ob das so bleiben wird? Vielleicht wird sich meine Trauer in Freude verwandeln. Und aus dem Verzicht wird ein Gewinn für mein Leben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10326
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