SWR2 Wort zum Tag

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Beten hat mit Bitten zu tun: Wer betet, der bittet in der Regel um etwas. Aber ist das nicht naiv - Gott zu bitten, dass etwas Bestimmtes geschieht, oder dass mir etwas Bestimmtes gegeben wird? Es ist kindlich naiv. Und weil es so naiv ist, finden wir im Mustergebet Jesu, mit dem er seine Jüngerinnen und Jünger das Beten lehrte, dem „Vaterunser", eine merkwürdige Bitte, die jedes naive Wunscherfüllungsdenken durchkreuzt: „Dein Wille geschehe."
In den Geschichten, in denen Jesus von Gott spricht, taucht immer wieder das Bild vom Vater und seinen Kindern auf. Es will verdeutlichen, dass Menschen von Gottes Fürsorge leben: Menschen bitten - wie Kinder, gemäß ihrem Vorstellungshorizont; und Gott gibt - nach seinem Ermessen.
Diese Haltung hat oft Kritik herausgefordert: Beten sei eben kindlich naiv und schon deshalb nichts für Erwachsene, die es schließlich besser wüssten. So gesehen, ist gerade die Bitte „Dein Wille geschehe" das Gebet eines erwachsenen und reifen Menschen.
Merkwürdig fand ich an dieser Bitte schon immer, dass ich Gott doch nicht ausdrücklich dazu auffordern muss, dafür zu sorgen, dass sein Wille geschieht. Wird er sich nicht ohnehin selbst darum kümmern. Doch dieser Gedanke führt auf eine falsche Fährte. Die Bitte „Dein Wille geschehe" ist nicht als Bitte im üblichen Sinn zu verstehen. „Dein Wille geschehe" - das drückt keinen Wunsch aus, sondern eine Einsicht.
Wer das Gebet nur als Mittel der Wunscherfüllung und Bedürfnisbefriedigung ansieht, der hat es missverstanden und nimmt es nicht ernst. Gerade das wird durch die Einsicht „Dein Wille geschehe" zum Ausdruck gebracht. Wenn Gott hörendes Gegenüber ist, dann ist er auch im Bild einer Person zu verstehen. Und zum Personsein gehört, dass der andere mir gegenüber immer auch Geheimnis bleibt, nie voll und ganz zugänglich ist, und dass der Weg von einer Person zur anderen nur über die Brücke des Vertrauens führt.
Die Bitte „Dein Wille geschehe" drückt solches Vertrauen aus. Wer so betet, lässt sich auf einen anderen ein, in diesem Fall auf Gott. Beten heißt eben nicht nur bitten, es heißt auch, sich auf Gott einstimmen. Gerade weil ich im Gebet Bitten äußere, ist es wichtig, dass ich mich daran erinnere.
Natürlich hat im Gebet das Platz, was mich bewegt, und es kommt darin so vor, wie ich es sehe. Aber ich vertraue darauf, dass Gott die weitere Perspektive hat. Und darum sage ich: „Dein Wille geschehe."

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