Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Wenn heute Morgen die Menschen in Tokyo aufwachen, ist ihre Stadt nicht mehr die, die sie mal war. Denn in der Nacht hat der Wind die giftige Wolke über dem Kernkraftwerk in die Straßen und Plätze von Tokyo geweht.
Angesichts dieser Situation würde ich Sie heute Morgen am liebsten zu einer Schweigeminute aufrufen. Eine Minute Schweigen aus dem Radio, Schweigen in den Küchen, in Wohn- und Badezimmern und wo immer Sie jetzt gerade sind. Schweigen für die 35 Millionen Männer, Frauen und Kinder der Stadt Tokyo... Aber weil das mit dem Schweigen ein bisschen schwierig ist im Radio, möchte ich Menschen aus Tokyo selbst zu Wort kommen lassen.

Am vergangenen Sonntag hat die deutsche Gemeinde dort ihren Gottesdienst ausfallen lassen. Die Gläubigen sind zu Hause geblieben. Dafür haben sie sich per Internet Bibeltexte zugeschickt und ein Gebet. Dieses Gebet hat mich sehr berührt. Deshalb möchte ich es Ihnen jetzt vorlesen. Und wenn Sie mögen, können Sie es mitbeten.

Gott, du hast die Welt geschaffen. Dafür waren wir immer dankbar.
Darauf haben wir immer vertraut, dass wir ein Teil deiner Schöpfung sind, von dir gewollt und zu Gutem bestimmt.

Jetzt haben wir erlebt, dass deine Schöpfung auch ein anderes Gesicht hat. Wir haben
erlebt, wie klein wir Menschen sind. Manche von uns haben Stunden der Angst erlebt,
Stunden der Unsicherheit und Sorge. Die Menschen in der Erdbebenregion haben ihr
Leben verloren, ihre Angehörigen, ihre Existenz.

Und der Schrecken ist noch nicht vorbei. Das Kernkraftwerk in Fukushima ist noch nicht sicher.
Dennoch hoffen wir auf dich, Gott, halten an dir fest und bitten dich um deine Gegenwart in all diesen schlimmen Erfahrungen.

Wir bitten für die Familien, die nicht wissen, ob ihre Angehörigen noch leben. Wir bitten
für die Verstorbenen. Wir bitten für die Menschen in den Notunterkünften.

Wir bitten für die Menschen, die vor dem Nichts stehen. Wir bitten für die vielen Helfer,
die ihr Leben für andere aufs Spiel setzen.

An dir halten wir uns fest, Gott, gerade, wenn uns der Boden unter den Füßen wegrutscht.
Auf dich hoffen wir, in allem, was wir erleben, ertragen, durchmachen müssen.

Begleite du uns, dass wir nicht verzweifeln.
Hilf uns, aufeinander zu achten, richtige Entscheidungen zu treffen
und zu helfen, wo wir können. Amen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10231
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