Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Wir sind dunkel im Augenblick. Bitte belebt uns." Das hat ein hochrangiger japanischer Beamter am Wochenende gesagt. Und diesen Satz habe ich immer im Ohr, wenn ich die Bilder und Nachrichten aus Japan sehe. Die mich erinnern an die Tsunamis in Südostasien in Südostasien und Haiti und gleichzeitig an das Reaktorunglück in Tschernobyl.
Die Menschen in Japan erleben derzeit eine Katastrophe, wie es sie noch nie gegeben hat. Und immer wenn ich die Bilder von überschwemmten Küsten, Menschen in Strahlenschutzanzügen und Notunterkünften sehe, beschleicht mich Gefühl von Lähmung und zunehmender Dunkelheit.
„Wir sind dunkel im Augenblick. Bitte belebt uns." Aber diese Bitte des japanischen Beamten an uns reist mich immer wieder heraus. Dunkelheit und Lähmung. Wenn man einer unerträglichen Situation ausgeliefert ist und ganz einsam. Die Bibel nennt das „Gottesferne".  Weil: wenn das Leben aus dem Körper weicht, dann rückt auch Gott erst einmal in die Ferne.
Unsere Vorfahren haben eine Alternative gekannt zu dieser Art von Dunkelheit und Schockstarre. Es ist ein Gebet, ein Psalm aus dem Alten Testament.

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne.
Des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht
und des Nachts, doch ich finde keine Ruhe.

Du aber Herr, sei nicht ferne.
Meine Stärke, eile mir zu helfen.
Und weiter.

Unsere Väter und Mütter hofften auf dich.
Und da sie hofften, halfst du ihnen heraus. Zu dir schrien sie und wurden errettet."

Für mich ist das der stärkste Protest gegen Dunkelheit und Lähmung, den ich kenne.
Und eine mögliche Antwort auf die Bitte des japanischen Beamten:
„Wir sind dunkel im Augenblick, bitte belebt uns."

Im Internet habe ich eine Seite entdeckt, in der sich bisher über 32 Tausend Menschen zu Wort gemeldet haben. „Japan, in Gedanken sind wir bei euch." Heißt sie und darin erzählen manche, wo und wie sie Geld spenden, andere verabreden sich, um miteinander zu beten für die Opfer und die Helfer, ja eine Frau hat sogar ein Apfelbäumchen gepflanzt. Jeder tut etwas nach seinem Vermögen. Und antwortet damit auf die Bitte des japanischen Beamten, die auch ich Ihnen heute morgen ans Herz legen möchte: 
„Wir sind dunkel im Augenblick, bitte belebt uns."

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10230
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