SWR4 Abendgedanken BW

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Wie kann ich in einer Phase des Leids wieder Freude empfinden? Freude, die weiter reicht, als ein trotziges „ „Es muss halt weiter gehen!". Freud und Leid liegen ja manchmal ganz nah beieinander. Relativ harmlos ist es noch für jemanden, der gestern noch auf einer Faschingsparty gewesen ist, auf dem Rückweg umgeknickt ist und sich den Knöchel verstaucht hat. Manchmal kommt's aber auch richtig schlimm. Ein halbes Jahr, nachdem unser Sohn geboren wurde, starb meine Mutter. Freude und Leid, die einen für länger begleiten.
„In dir ist Freude in allem Leide", singt ein altes Kirchenlied. Mir war das Lied nie so ganz sympathisch. Auch wenn es in beschwingtem Dreivierteltakt daher kommt. Ich fand das immer ein bisschen viel verlangt. Freude im Leid empfinden! Geht das überhaupt? Haben nicht die Tränen und die Trauer im Leid erstmal Vorrang und ihr Recht? Ja, das haben sie. Aber wer sich nicht im Leid einrichten will, braucht den Blick nach vorn. Ich glaube sogar: Wer nicht im Lied versinken will, braucht den Blick nach oben. Der muss den  Kopf wieder heben. „In dir ist Freude in allem Leide", heißt es. Und der „dir" ist Jesus Christus. Der Sohn Gottes, der auch Leid erlebt hat, und der deshalb unser menschliches Leid verstehen kann. Im Leid ist es  gut, wenn ich jemanden neben mir habe, der nicht von oben herab tröstet. Sondern der sich mit mir auf eine Stufe stellt und der mir hilft, wieder aufzuschauen.
In den Psalmen drückt der Beter das so aus:
„Ich freue mich und bin fröhlich über deine Güte, dass du mein Elend ansiehst und nimmst dich meiner an in Not". Ps 31,8

Da geht der Blick nach oben, weil Gott ihm mit konkreter Hilfe aus der Not hilft. Das braucht man im Leid ja auch: Dass einem jemand ganz praktisch hilft. Nachdem meine Mutter gestorben war, haben viele Freunde meinen Vater besucht. Sie haben ihn in seiner Einsamkeit aufgefangen. Gott begegnet uns ganz oft im anderen, hilfreichen Menschen.
Und vielen, die traurig sind, begegnet Gott auch in der Stille: Die Elenden ... freuen sich, und die Gott suchen, denen wird das Herz aufleben. Ps 69,33. Menschen suchen Gott in der Stille, im Gottesdienst, im Gebet. Und ganz allmählich merken sie, wie sie das Leid nicht mehr so bedrängt. Wie es nicht mehr ihr Leben beherrscht. Die Hoffnung drängt sich wieder in den Vordergrund. Sie beginnen wieder nach vorne zu schauen. Und so langsam macht sich auch die Freude wieder breit.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10193
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