SWR3 Gedanken

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Ihn schauen von Angesicht zu Angesicht. Hand aufs Herz. Würde Ihnen das nicht gefallen? Wenn Sie Gott einmal von Angesicht zu Angesicht sehen könnten? Wie er wirklich aussieht? Der Herrscher des Himmels, von dem wir uns kein Bild machen sollen. Und auch keins machen können. Weil ihn eben noch keiner gesehen hat. Noch keiner?
Google Street View hat Gott gesehen. Und ihn gleich auch noch fotografiert. Genauer gesagt auf der Schweizer Autobahn A 3 in der Nähe der Gemeinde Quarten. Gott wohnt also am Walensee und trägt rosa. Denn auf der verschwommenen Aufnahme sieht man zwei Gestalten am Himmel, wovon eine ein rosafarbenes Gewand trägt. Die andere Gestalt könnte der Heilige Geist sein. Oder was auch immer.
Mittlerweile gibt es ähnliche Bilder aus Winterthur und sogar aus einem St. Gallener Tunnel. Gott scheint also auf jeden Fall ein Schweizer zu sein. Außer man glaubt den Skeptikern. Die befürchten nämlich, dass es sich keinesfalls um überirdische Phänomene handelt, sondern schlicht um eine optische Täuschung, die bei 360-Grad-Aufnahmen vorkommen kann. Oder gar nur um einen Fleck auf der Linse.
Wie auch immer. Wenn ich das Bedürfnis habe, Gott von Angesicht zu Angesicht zu sehen, dann halte ich es mit einer kleinen Geschichte. Die erzählt, wie einer erfährt, dass Gott ihn besuchen will. Innerhalb von vierundzwanzig Stunden klopfen ein Bettler, eine kranke Frau und ein Kind an seine Tür. Als der Tag zu Ende ist, ist der Mann sehr enttäuscht. Weil Gott doch zu Besuch kommen wollte, aber scheinbar gar nicht da war. Doch schließlich begreift er: Gott war da. Als Bettler, als kranke Frau und als Kind. Und er hat ihn gar nicht erkannt.
Ich werde weder an den Walensee noch nach Winterthur reisen, um Gott von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Ich werde einfach aufmerksam in das Gesicht meiner Mitmenschen blicken. Dort werde ich Gottes Angesicht vermutlich eher erkennen als auf den Aufnahmen eines Internetdienstes.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10182
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