SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Er fühlt sich anders an. Er hört sich anders an. Der Sonntag. Das merke ich schon wenn ich aufwache. Normalerweise höre ich Räder rollen. Eins nach dem anderen über den Asphalt vor unserem Haus. Berufsverkehr. An einem normalen Tag. Aber nicht am Sonntag. Nur vereinzelt ein Motorengeräusch. Dazwischen Stille.
Er fühlt sich anders an. Er sieht anders aus. Der Sonntag. Wenn ich zum Gottesdienst in den Nachbarort fahre, sehe ich nur wenige Menschen. Meistens in Freizeitkleidung. Auf dem Weg in die Bäckerei. Brötchen holen für das Familienfrühstück. Das an jedem anderen Tag ausfällt. Weil ja alle irgendwohin müssen.
Er fühlt sich anders an. Er ist anders. Der Sonntag. Er ist anders als alle anderen Tage der Woche. Irgendwie gemächlicher, zeitloser. Irgendwie entspannter. So, als hätte man an diesem Tag nichts zu versäumen. An diesem Tag atmet die Welt Zeit.
Sicher gilt das nicht für alle. Noch nicht einmal für mich. Gerade am Sonntag muss ich in der Regel zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort sein. Und andere noch mehr. Die Bäckereifachverkäuferin, der Rettungsassistent, der Schichtarbeiter.
Und dennoch: Stellen wir uns einmal vor, am Sonntag wäre alles so wie am Montag. Oder am Dienstag. Oder am Mittwoch. Morgens um sieben würden die Räder nahtlos über den Asphalt rollen. In den meisten Häusern würde mehr oder weniger eilig das Frühstück absolviert. Stellen wir uns einmal vor, der Sonntag wäre nicht anders. Nicht anders als alle anderen Tage der Woche. Wollen Sie sich das wirklich vorstellen?
 „Gott sei Dank, es ist Sonntag," heißt es in einer Kampagne der evangelischen Kirche. Weil es ohne Sonntag eben wirklich nur noch Werktage gibt. „Am siebten Tage sollst du ruhen," sagt Gott in den zehn Geboten. Weil Gott richtig Ahnung davon hat, was Menschen wirklich brauchen. Nämlich einen Tag in der Woche, der anders ist. An dem die Welt Zeit atmet.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10180
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