SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

11APR2007
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Nach Ostern feiern wir einen Gottesdienst in der Schule. „Warum nennen wir den Gottesdienst eigentlich nicht Frühlingsgottesdienst?“ fragt eine Lehrerin. Weil es um mehr geht als um den Frühling. Jedes Jahr ein neuer Frühling, jedes Jahr ein neuer Mai - das klingt zwar schön, täuscht aber darüber hinweg, dass eines Tages - für jeden von uns - der letzte Frühling kommen wird. Das wissen schon die Kinder, viele von ihnen haben bereits endgültig Abschied nehmen müssen: von einem Tier, von einem nahen Angehörigen. Der verstorbene Opa kommt nicht im nächsten Frühjahr wieder, das ist allen schmerzlich klar. Vielleicht ist ja dieser Frühling der letzte für mich - wer weiß? Mich jedenfalls tröstet es dann nicht, dass jedes Jahr neu die Blumen sprießen - im Gegenteil! Der Chansonnier Jaques Brel hat sogar, todkrank, gesungen: Es ist hart, im Frühling zu sterben.
Was mich tröstet ist, dass der Gott, an den ich glaube, den Tod selbst erlitten hat. Doch seine Liebe war so groß, dass der Tod an ihr gescheitert ist. Jesus Christus selbst hat für sein Leiden und Sterben und für seine Auferstehung das Bild des Weizenkorns gewählt, das sterben muss, um viel Frucht zu bringen.
Deshalb haben wir mit den Kindern Weizenkörner in Schalen gepflanzt. Wenn alles klappt und der Hausmeister daran gedacht hat, regelmäßig zu gießen, dann müssten bis zu unserem Gottesdienst viele Halme gesprossen sein. Die Kinder tragen dann die Schalen mit den Pflanzen in den Gottesdienst. Liebe wächst auf, die längst erstorben schien, Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün - dieses Lied singen wir dann gemeinsam. Dieser grüne Halm ist aus einem Weizenkorn gewachsen, so wie für mich jedes Menschenleben aus der Liebe Gottes erwachsen ist. Und diese Verbindung der Liebe kann niemand zerstören - auch der Tod nicht. Das gilt für die Menschen, die wir verloren haben, das gilt auch für uns Lebende. Und das teilt sich aus, tröstet und macht lebendig, nährt und stillt den Hunger auf Leben.
Ich werde den Gottesdienst mit den Kindern genießen, und den Frühling auch. Beides sind für mich kostbare Geschenke Gottes. Und wenn es mein letzter Frühling wäre: nun, auch das liegt in Gottes Hand, und aus seiner Hand empfange ich alles: Den Weizen und das Brot, den Frühling, die Liebe und das Leben.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1016
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