Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Hat Ihnen in den letzten Tagen auch der grüne Daumen gejuckt? Die ersten warmen Sonnenstrahlen wecken die Pflanzen aus ihrem Winterschlaf. Grüne Triebe schauen aus der Erde, das Leben erwacht wieder. Nichts wie raus.
Doch ich entdecke nicht nur die Triebe von Schneeglöckchen oder Narzissen. Nein, das Unkraut hat den Winter auch ganz gut überstanden. Also Gummistiefel an, Hacke in die Hand und dann nichts wie ran.
Als ich so im Beet knie, kommt mir eine biblische Geschichte in den Sinn: Ein Bauer hat Weizen gesät. Über Nacht streut ein anderer Unkrautsamen dazwischen. Als nun beides aufgeht, fragen die Knechte: Sollen wir losziehen und das Unkraut ausreißen? Der Bauer bremst sie und sagt: Lasst beides wachsen, denn die Gefahr ist groß, dass ihr die guten Pflanzen verletzt. Wartet bis zur Ernte. Dann könnt ihr viel besser das Unkraut von dem Weizen trennen.
Ein hilfreicher Tipp - also jetzt nicht einfach loshacken ohne nachzudenken. Wie leicht könnte ich die guten Pflanzen verletzten. Und am Ende gäbe es keine schönen Blüten.
Doch die Geschichte ist mehr als nur ein guter Tipp für den Garten. Wenn ich zum Beispiel an meine Kinder denke. So viele Möglichkeiten haben sie im Leben. Und ich wünsche mir für sie, dass sie immer nur die guten Dinge wachsen lassen. Die anderen möchte ich ihnen am liebsten alle verbieten, einfach weg damit. Gerade neuere Erziehungsratgeber ermutigen mich dazu ja.
Aber wenn ich ständig nur Nein sage, gefährde ich meine Beziehung zu ihnen, ja beschädige sie. Das kann so weit gehen, dass sie sich innerlich von mir entfernen. Ja, ich kann sie sogar verlieren, obwohl ich doch eigentlich nur das Beste für sie wollte. „Lass es einfach wachsen", rät mir deshalb die Geschichte auch in diesem Fall. „Lass sie ruhig einmal abends spät ins Bett gehen und dann morgens früh verschlafen in die Schule trotten - auch wenn eine Klassenarbeit ansteht."
Als ich meine Hacke wieder in den Schuppen stelle, habe ich viele Beete vom Unkraut befreit. Doch an einigen Ecken habe ich das Unkraut bewusst stehen gelassen. Da kann beides ruhig noch etwas weiter wachsen. Später kann ich dann viel besser das Unkraut ausjäten. Und bis dahin freue ich mich an all dem frischen Grün in meinem Garten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10146
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