Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Gott, zu dir rufe ich in der Frühe des Tages. " Hilf mir beten. Ich kann es nicht allein. In mir ist es finster, bei dir ist das Licht. Ich bin einsam, aber du verlässt mich nicht. Ich verstehe deine Wege nicht, aber du weißt den Weg für mich."
1943 betet Dietrich Bonhoeffer so. Der Widerstandspfarrer gibt seine Angst vor dem Tag ab, alles, was ihn belastet. Früh morgens legt er alles Gott vor die Füße: Gott, mach du das! Geh mit mir durch diesen Tag. Du weißt den Weg für mich!
Beten Sie eigentlich morgens? Oder wo tanken Sie ihre Seele auf? Viele stressen sich ja  morgens mit schnellem Frühstück, Zähneputzen und dann ab auf die Piste. Zeit ist Mangelware, besonders morgens. Und dann noch beten? Lohnt sich das? In Köln sagen manche: „Wenn et Bedde sich lohnen däät, wat meinste wohl, wat ich dann bedde däät!"
Ich glaub ja: Beten will entdeckt und auch gelernt sein. Gelegenheiten zum Beten gibt es viele: ein kurzer Zwischenstopp im Auto an der Ampel, am Tisch, kurz innehalten, bevor man anfängt zu essen, im stillen Gebet Ärger am Arbeitsplatz verdauen, Angst gemeinsam aushalten, Krankheit durchstehen.
Ich hab jetzt im Evangelischen Gesangbuch ganz hinten rund 80 Seiten mit Gebeten neu entdeckt. Und in Buchhandlungen gibt es kleine Bücher mit Gebeten zum Mitnehmen, für die Reise durch den Alltag sozusagen. Ein bisschen Schule des Betens, so ein kleines Morgentraining, das tut mir gut.
Übrigens, mein Favorit ist zur Zeit Martin Luthers Morgensegen aus dem Jahr 1529. Der betet so:
„Ich danke dir, mein himmlischer Vater, dass du mich diese Nacht vor allem Schaden und Gefahr behütet hast, und bitte dich, du wollest mich auch diesen Tag behüten vor allem Übel. Ich befehle mich in deine Hände. Dein heiliger Engel sei mit mir."
Luther gibt dann noch den Tipp: „Alsdann mit Freuden an dein Werk gegangen und etwa ein Lied gesungen oder was dir sonst deine Andacht eingibt!"
Das mache ich manchmal, pfeife oder summe dann fröhlich ein Lied, im Treppenhaus, auf dem Bahnsteig oder dem Parkplatz. Mitunter wundern sich die Leute, dass ich morgens schon so fröhlich bin. Und wenn sie mich dann freundlich anschauen, lächle ich zurück und denke: „Schau an, wie sich dat mit dem Bedde doch lohne däät!"

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