SWR3 Gedanken

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Fehler kann man immer machen. Entscheidend ist, wie man damit umgeht. Das sagte mir vor kurzem mein Geigenlehrer, nachdem ich mich wieder mal verspielt hatte. Stimmt, Fehler kann man nicht nur machen, man macht sie auch immer wieder. Und doch dürfte man manche Fehler niemals machen. Das Pressefoto des zertrümmerten Zuges in Sachsen-Anhalt vor drei Wochen steht mir noch immer vor Augen. In der leichten Schneedecke neben dem Gleis waren die Abdrücke von zehn Körpern zu sehen. Zehn Menschen, die nun nicht mehr leben - wie es derzeit aussieht, wegen eines einzigen Fehlers. Wie geht man um mit Fehlern, die man nicht beim nächsten Mal einfach korrigieren kann wie einen falschen Ton im Musikstück? Weil es eben kein nächstes Mal gibt.
Fehler macht jeder von uns. Das lässt sich nicht verhindern. Deshalb ist mir die Frage wichtiger, wie ich mit der Schuld umgehen kann, die ein Fehler mir vielleicht auch hinterlässt. Mit dem Gefühl moralischen Versagens. Es ist da, liegt wie ein Fels auf der Seele. Ich kann versuchen, es zu verdrängen.  Aber dann versteckt es sich nur und kommt früher oder später doch zurück ans Licht. Der erste Schritt da heraus ist wohl, sich die empfundene Schuld überhaupt offen einzugestehen.
Der zweite freilich ist die Hoffnung auf Vergebung. Doch die kann ich mir nicht selber verschaffen und ich habe auch kein Recht darauf. Ich kann darum betteln, darauf hoffen. Nur selbst vergeben kann ich mir nicht. Vergebung kann ich mir nur schenken lassen. Das bedrückende Gefühl der Schuld ist damit natürlich nicht einfach weg. Es wird ein Teil von mir werden, wie die Narbe an der Hand, nach dem Sturz vom Fahrrad. Aber damit das Weiterleben gelingt, die Narbe irgendwann verheilt, ist Vergebung wichtig. Sie ist dann wie ein Tor, das sich weit öffnet und den Weg freimacht. Einen Weg mit Narben zwar, aber zumindest einen Weg zurück ins Leben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10032
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