SWR3 Gedanken

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Eigentlich dürfte es sie gar nicht geben. Eigentlich. Denn ihre Existenz ist nicht gerade ein Aushängeschild für ein reiches und wohlhabendes Land, das gern über soziale Gerechtigkeit diskutiert.  Dabei sind die sogenannten Tafeln, die es  inzwischen überall in Deutschland gibt, eine ziemlich gute Sache. Vor 18 Jahren wurden sie auf Initiative engagierter Menschen gegründet, die sich mit den bestehenden Verhältnissen nicht einfach arrangieren oder abfinden wollten. Um die vielen Obdachlosen in Berlin wollte man sich damals kümmern. Inzwischen freilich sind die wenigsten Kunden der Tafeln obdachlos. Vielmehr werden zigtausende arme Menschen dort jeden Tag mit Lebensmitteln versorgt. Viele Kirchen unterstützen das Projekt.
Es sind hochwertige Produkte, die sonst zum überwiegenden Teil einfach weggeworfen würden, weil sie nicht mehr hübsch genug aussehen oder zu nahe am Verfallsdatum sind. Obst, Gemüse, Käse, Wurst und natürlich jede Menge Brot. Wir Kunden schätzen nun mal keine Druckstellen am Apfel oder braune Flecken auf unserer Banane und kaufen auch keinen Joghurt mehr, der bald abläuft. Seit der Einführung der Hartz-Gesetze sei die Nachfrage in den Tafeln deutlich gestiegen, erzählte mir eine ehrenamtliche Mitarbeiterin. Die Kunden, die bei ihr erscheinen, schämen sich oft dafür. Manche laufen erst mal tagelang heimlich daran vorbei und sondieren die Lage, bevor sie sich endlich verstohlen in die Schlange einreihen. Sie schämen sich dafür, dass sie arm sind und Hilfe annehmen müssen. Zu arm jedenfalls, um sich regelmäßig mit frischen und hochwertigen Lebensmitteln zu versorgen, die es bei uns im Überfluss gibt. Arm in einem der zwanzig reichsten Länder der Erde. Nicht, was die Tafeln tun, ist also fragwürdig, sondern dass es sie überhaupt geben muss. 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10030
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