SWR3 Gedanken

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Ein Lehrer meiner Schulzeit tröstete seine Schüler gern mit dem Satz: Es kommt weniger darauf an, die richtigen Antworten zu geben, als die richtigen Fragen zu stellen. Auch wenn ich davon im Abitur nicht viel gemerkt habe, habe ich mir diesen Spruch eingeprägt. Und im Laufe des Lebens herausgefunden, dass er mehr ist als ein billiger Trost für hilflose Schüler. Es ist eine wertvolle Hilfe für trostlose Menschen, wie mir eine Geschichte aus der Bibel zeigt.
Da begegnet Jesus am Teich Betesda einem Mann. Der ist seit achtunddreißig Jahren krank, kann kaum noch laufen. Auf den wird Jesus aufmerksam. Und er stellt nur eine einzige Frage: „Willst du gesund werden?"
Was für eine Frage. Natürlich will dieser Mensch gesund werden. Und dennoch trifft Jesus mit seiner Frage den Kranken mitten ins Herz. Denn der beginnt nun, seine Geschichte zu erzählen. Wie oft er versucht hat, in das heilende Wasser zu kommen. Wie oft er den Kürzeren gezogen hat, weil andere schneller waren als er.
Tiefe Resignation höre  ich in seinen Worten, aber auch einen Rest von Hoffnung. Und die bricht wieder auf. Durch die einfache Frage: „Willst du gesund werden?" Diese Frage weckt letzte Energien, die noch mit einer Genesung rechnen. Ein kranker Mensch schafft endlich den ersten Schritt, um gesund zu werden.
Fragen öffnen neue Horizonte. Jedenfalls mehr als fertige Antworten. Von denen hört man ja in der Regel genug. Aber eine echte Frage, in der sich mir jemand aufmerksam zuwendet, die hilft mir, meine eigene Antwort zu finden. Und bringt mich in der Regel weiter als alle fertigen Antworten der Welt. Weil es meine Antwort ist.

 „Ich will gesund werden," ist die unausgesprochene Antwort des Kranken am Teich Betesda. In meinem Leben lauten die Antworten vermutlich anders. Aber ich hoffe auf Menschen, die mir die richtigen Fragen stellen.

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