SWR4 Abendgedanken BW

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Immer am Sonntagabend reden sie sich die Köpfe heiß, die Jungs von der A-Mannschaft des FC. Sonst sind sie nicht so gesprächig. Aber am Sonntag haben sie Fußball gespielt und davon müssen sie reden. Ausführlich. Wenn sie gewonnen haben, dann erzählen sie sich gegenseitig, wie sie dazu beigetragen haben. Wer den entscheidenden Pass gespielt hat, der zum Siegtor führte, wer den Strafstoß sicher versenkt hat. Und wenn sie verlo-ren haben, dann versichern sie sich, dass andere daran Schuld waren. Der Schiedsrichter war parteiisch. Der Platz eigentlich unbespielbar. Die Gegner unfair. Mit der Erinnerung machen sie sich ein Bild von ihrem Spiel und von sich selbst. Und schließlich sind die Jungs sich sicher. So war es. So waren wir. So war ich. So bin ich.
Erwachsene machen das oft genauso. Gerade hat Gerhard Schröder seine Erinnerungen an 7 Jahre Kanzlerschaft veröffentlicht. Er erinnert sich – und aus seiner Erinnerung macht er sich ein Bild. Er will das Urteilen nicht den anderen überlassen. Er will gut da-stehen – wie die Jungs von der A-Mannschaft. War er nicht auch mal Fußballspieler?
Ich verstehe, dass Menschen das Urteilen nicht den anderen überlassen wollen. Ich ver-stehe, dass einer gut dastehen will – vor sich selbst und vor anderen. Aber sich die eige-nen Erinnerungen schönreden, bis man vor sich selbst gut dasteht: kann man am Ende damit bestehen? Oder spüren die, die sich die Erinnerungen zu Recht biegen am Ende doch, wie brüchig dieses Bild ist, das da entsteht? Und eigentlich muss man immerzu daran arbeiten und polieren, damit es nicht schmutzig wird.
Ich glaube, dass Gott mich sieht. Er nimmt mich ernst. Er sieht mich so, wie ich bin. Mit meinen Stärken und Schwächen. Mit dem, was ich verdorben habe und mit dem, was gut geworden ist. Ihm brauche ich nichts vorzumachen. Seinen Jüngern, die stolz davon er-zählt haben, dass sie sogar mit allerlei bösen Geistern fertig werden konnten, hat Jesus mal gesagt: „Freut euch nicht, dass ihr mit den bösen Geistern fertig werdet. Freut euch, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind.“ (Lk 10,20) Sie hatten gemeint, sie müss-ten mit ihren Erfolgen groß tun, damit er auch weiß, was er an ihnen hat. Da versichert ihnen Jesus: Gott nimmt euch wahr. Jeden. Auch die, die nicht viel vorweisen können. Er kennt jeden einzelnen. Und jeder ist wichtig. Mann muss nicht erst wie ein Halbstarker die eigenen Leistungen hervorheben. Mann muss auch nicht bei dem, was man tut darauf schielen, ob man dabei gut zur Geltung kommt und was die anderen dazu sagen. Mann kann auch zu seinen Fehlern stehen und versuchen, es beim nächsten Mal besser zu ma-chen.
Für Gott bin ich wichtig. Ich glaube, wer das weiß, kann entspannter seine Aufgaben an-gehen. Und dann wahrscheinlich auch besser Fußball spielen.
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