SWR1 Begegnungen

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Er ist Bestseller-Autor mit 14 Millionen verkaufter Bücher, übersetzt in 28 Sprachen, Therapeut, Manager eines mittelständischen Unternehmens – und gleichzeitig besitzlos. So was geht nur in einem Mönch zusammen, konkret in dem Benediktinerpater Dr. Anselm Grün in Münsterschwarzach.
Wer auf der A 3 Würzburg Richtung Nürnberg fährt, sieht schon von der Autobahn aus die vier Türme von Münsterschwarzach. Sie haben auch dem Verlag des Klosters den Namen gegeben. Der Verlag ist aber nur einer von rund 20 Betrieben, die zur Abtei gehören: Bäckerei, Metzgerei, Druckerei, Buchhandlung, Goldschmiede und ein Gymnasium, um nur einige zu nennen, kommen dazu. Der Chef dieses Unternehmens ist Pater Anselm Grün; in einem Kloster bezeichnet man seine Funktion als Cellerar. Im normalen Wirtschaftsleben würde man vom Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens sprechen. Und der wäre damit ausgelastet. Nicht so Pater Anselm. Der ist obendrein Deutschlands erfolgreichster geistlicher Schriftsteller. Wie geht das zusammen?

Ich selber sehe mich in erster Linie als Mönch. Als einer, der immer wieder neu Gott sucht. Der nie zufrieden ist mit dem, was er gefunden hat oder was er spürt von Gott, und der weiter auf der Suche ist. Und auch wenn ich Cellerar bin und mich mit vielen weltlichen Dingen beschäftigen muss, ist auch dort meine Aufgabe, Seelsorger zu sein und eine Atmosphäre zu schaffen, wo die Menschen gerne arbeiten. Und es ist für mich kein Gegensatz zu der anderen Berufung, als Priester und Seelsorger tätig zu sein.

So ein bisschen war Anselm Grün dieses Miteinander in die Wiege gelegt: die Eltern hatten ein Elektrogeschäft in München, Onkel und Tanten waren Ordensleute. Mit 10 Jahren schon kam er auf die Idee, Priester zu werden. Aber so glatt ging`s dann doch nicht:

Natürlich gab es zwischendrin Krisen. In der Pubertät oder kurz vor dem Abitur habe ich das Gefühl gehabt, ja ist das wirklich das Richtige? Naturwissenschaft hat mich da auch sehr interessiert und zwischendrin wollte ich mal zu den Jesuiten gehen, weil die mehr leisten. Und dann habe ich mich doch für hier entschieden. Eigentlich wollte ich dann mal in die Mission gehen, Korea oder möglichst weit weg, und war so voller Ehrgeiz für die Kirche was zu leisten. Aber dann kam ich eben im Studium in die Krise, kam mit meinen Gefühlen in Berührung, habe gemerkt, ich kann nicht nur leisten und vom Verstand her was tun. Aber die Krise hat mir dann gut geholfen, wirklich den richtigen Weg zu gehen und zu sagen: was ist geistliches Leben wirklich, und es geht nicht um Leistung, sondern es geht erst mal darum selber als Mönch zu leben.

Und dazu gehört auch die feste Ordnung im Kloster, aufstehen um 4.40 Uhr, beten und arbeiten. So vieles er auch macht, er verzettelt sich nicht, sondern ist sehr diszipliniert:

Zweimal in der Woche am Dienstag und Donnerstag morgens zwischen 6 und 8 habe ich Zeit zum Schreiben, weil ich die Abendmesse habe; jeweils Sonntagnachmittag manchmal, also 6 Stunden normalerweise in der Woche habe ich Zeit zum Schreiben. Und vormittags mache ich die Verwaltungsarbeit, nachmittags die Gespräche im Recollectiohaus und Montag- und Donnerstagabend einen Vortrag.

Für den Cellerar Anselm Grün ist der Schriftsteller Anselm Grün mit 14 Millionen verkaufter Bücher natürlich der beste Mitarbeiter. Und trotzdem ist er ein armer Mönch. Das fuchst ihn aber keineswegs.

Für mich ist Luxus keine Frage. Also ich leiste mir nicht so einen reichen Urlaub, das ist für mich kein Thema, keine Versuchung. Natürlich haben wir auch Mitbrüder, die eher Lebenskünstler sind und sich nie selber ernähren würden. Wenn die dann große Geldwünsche haben, dann merk ich, da geht es so wie einem Vater, der sagt: ich verdiene das Geld und die Kinder geben es aus. Aber für mich selber hätte ich da kein Problem.

Und obwohl Anselm Grün von außen betrachtet der Star in seiner Abtei ist, hält er den Ball flach:

Meine Mitbrüder sehen, dass ich hier im Alltag präsent bin, dass ich meine Aufgabe als Cellerar mache. Dass ich so nach außen Erfolg habe, das erfahren sie manchmal aus der Zeitung. Ich selber versuche da nicht zuviel zu erzählen. Es ist für mich ganz wichtig, dass ich im Konvent stehe, dass ich da integriert bin, dass ich mich mit dem Abt gut verstehe. Da ist für mich überhaupt nie eine Frage, so einen Machtkampf zu führen gegen jemand anders und ich bin dankbar hier zu sein.

Wenn jemand außerordentlichen Erfolg hat, dann sind die Kritiker und auch die Neider nicht weit. Anselm Grün geht es da nicht anders. Da heißt es z.B.: der schreibt viel zu viel. Dass er sehr produktiv ist, leugnet Anselm Grün nicht:

Da kommt vielleicht dieser alte Leistungsgedanke schon ein bisschen wieder rein, der hat mich nicht total verlassen. Aber ich definiere mich nicht über Leistung, sondern ich muss nicht so und soviel schreiben, sondern es macht auch Spaß, es fließt, es hält mich lebendig. Und wie lange es so fließt, weiß ich nicht. Aber so lange es fließt, bin ich dankbar.

Manche Leser seiner Bücher fragen sich auch, wie kann dieser Mönch sich so einfühlsam über die Sexualität äußern?

Ja gut, als Mann habe ich Gefühle, habe ich sexuelle Phantasien, habe sexuelle Wünsche, also ich muss mich mit dem auseinander setzen. Ich höre natürlich auch viel von anderen, ich begleite Frauen in der Seelsorge. Und muss natürlich mit meinen eigenen Wünschen umgehen. Da muss man jetzt nicht so große äußere sexuelle Erfahrungen haben, aber ich denke, allein wenn ich ehrlich mit mir umgehe, spüre ich, was Sexualität mit einem macht, was der Weg sein könnte, damit gut umzugehen.

Wenn ein Benediktiner so was sagt, fragen manche besorgte Gemüter: steht der noch fest auf dem Boden der kirchlichen Lehre?

Leute, die Angst haben, dass es zuviel Psychologie ist und zuwenig Spiritualität. Aber für mich ist die Spiritualität das erste, und die Menschen sollen spüren, dass geistige Wege immer auch Verwandlung des eigenen Menschen ist, und da muss ich die ganze Wahrheit Gott hinhalten. Manche machen mir dann den Vorwurf, einer softy Spiritualität, aber ich denke als Mönch sind wir nicht softy. Wenn wir jeden Tag um 4.40 Uhr aufstehen, ist das nicht so einfach softy Spiritualität. Ich denke, ich schreibe aus einer Erfahrung von Askese und von Disziplin heraus. Aber ich weiß natürlich , dass Askese und Disziplin nicht das Letzte ist, und das es nur eine Hilfe ist zum Leben, und das es eigentlich die innere Freiheit ist, die innere Barmherzigkeit, und das sind typische christliche Haltungen. Und da versuche ich einfach der Bibel gerecht zu werden.

Also die Kritiker, die gibt es: aber ungleich größer ist die Zahl derjenigen, die seine Bücher kaufen und die Säle füllen, wenn Pater Anselm irgendwo hinkommt. Und ich frage ihn, was er selbst für das Geheimnis seines Erfolges bei so vielen hält?

Dass sie sich verstanden fühlen mit ihren konkreten Problemen, dass sie sich nicht bewertet fühlen, dass ich liebevoll mit ihnen umgehe und nicht moralisiere. Dass ich keine glatten Lösungen anbiete: brauchst nur das machen und dann ist alles glatt. Diese Verbindung von alter Tradition und moderner Psychologie, die spricht die Menschen an, und daraus sind es dann immer mehr geworden, und auf einmal ist es explodiert.

Explodiert sind die Auflagenzahlen seiner Bücher, seit er 1978 einen ersten geistlichen Vortrag veröffentlichte. Und all denen, die nicht so viel Grün lesen, verrät er jetzt noch, worum es ihm immer wieder geht:

Gut, die erste Botschaft ist erst einmal: nicht bewerten, alles darf sein. Alles erst mal anzunehmen wie es ist. Das zweite, das was ist, in die Beziehung zu Gott zu halten. Und natürlich möchte ich wachsen, möchte ich weiter kommen. Aber ich kann nur wachsen, wenn ich die Beziehung zu Gott halte. Das Dritte ist Gott, der uns gegenüber steht und uns anspricht, aber er ist auch in uns. Und diesen Gott in uns zu entdecken und den inneren Raum der Stille zu entdecken, wo ich frei bin, wo die Welt mich nicht bestimmt, wo niemand mich verletzen kann, wo ich mit den ursprünglichen Teilen im Kern in Berührung komme. Das ist für mich eine wichtige Botschaft.

Die Menschenfreundlichkeit dieser Botschaft steht nicht nur in seinen Büchern. Immer, wenn ich mit dem mittlerweile 61jährigen Anselm zusammen sitze, ist sie auch wirklich spürbar. https://www.kirche-im-swr.de/?m=285
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