Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Er gilt als jähzornig, rechthaberisch und kompromisslos. Wenn nötig wendet er Gewalt an. Er macht vor niemandem Halt – weder vor dem Papst noch vor dem Kaiser. Die Rede ist von Anno, Erzbischof von Köln. Heute feiert die Kirche seinen Gedenktag.
Warum wird ausgerechnet so ein Mann heilig gesprochen? Eine berechtigte Frage. Anno wird um 1010 als Sohn eines verarmten Ritters geboren. Er besucht die Domschule in Bamberg, wird Priester und Leiter der Schule. Ein hochintelligenter Kopf. Das erkennt auch der Kaiser, Heinrich III., der ihn als Berater an seinen Hof holt – und ihn als Vor-mund seines Sohnes einsetzt. Doch seine Karriere geht noch weiter. Anno wird 1056 Erz-bischof in Köln – gegen den Willen der Kölner Bürger, die Anno brutal regiert. Dann steigt er zum Reichsverwalter, zu einer Art Ersatzkaiser auf, denn der Kaiserthron ist verwaist – nicht zuletzt, weil Anno den Thronfolger, Heinrich IV., entführen ließ.
Anno ist der Prototyp des machtbesessenen Politikers. Aber er hat auch andere Seiten. Er gründete Klöster, wie die berühmte Benediktinerabtei Michaelsberg in Siegburg bei Bonn. Sie wurde dank Anno zum Zentrum einer bedeutenden Reformbewegung für Mönchsor-den im Mittelalter. Anno sorgte sich auch um Arme, spendete viel Geld und gründete ein Krankenhaus.
Viele Heilige sind wie Anno. Es sind widersprüchliche und problematische Figuren. Menschliche Menschen. Menschen, die sich falsch und richtig verhalten. Heilige sind Men-schen mit Ecken und Kanten, mit Licht und Schatten. Das entschuldigt den Heiligen Anno nicht. Aber es verdeutlicht: Das Christliche orientiert sich nicht an den unerreichbaren Idealen einiger Superfrauen und -männer des Glaubens. Der Glaube verlangt keine ü-bermenschlichen Leistungen. Er rechnet auch mit menschlicher Unvollkommenheit.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=275
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