Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Heute, am 4. Dezember, gehe ich mit meinen Kindern in den Garten. Schneide, wie viele andere Menschen auch, Zweige von einem Obstbaum. Wir stellen sie ins Wasser und warten, dass sie zu blühen beginnen. Ein Bild voller Fremdheit: Was haben Blüten im Dezember verloren?
Ein Sprung zurück ins vierte Jahrhundert. Nach Kleinasien, in die heutige Türkei. Dort lebt Barbara. Ihr Vater ist nicht nur steinreich, sondern auch maßlos eifersüchtig. Wenn er verreist, schließt er seine schöne Tochter in einen Turm. Das hält sie zwar von den Männern fern, aber nicht vom christlichen Glauben. Als ihr Vater erfährt, dass sie Christin geworden ist, schleppt er sie vor ein Gericht und vollzieht die Todesstrafe gleich selber.
Eine fremdartige Geschichte: Von liebevoller Beziehung zwischen Vater und Tochter keine Spur, keine Spur auch von einer Erziehung zur Selbständigkeit. Vielleicht betont die Le-gende deshalb, dass Barbara über einen außerordentlich scharfen Verstand verfügte. In Diskussionen über die Religion konnten ihr die Eltern kein Paroli bieten. Und sie wechselte Briefe mit Origines, der als weisester Mann von Alexandria galt.
Was haben aber nun die Obstzweige mit dieser scharfsinnigen Frau zu tun? Es wird erzählt, dass Barbara auf ihrem Turm einen verdorrten Kirschbaumzweig mit Wasser benetzte. Als sie wenig später zum Tod verurteilt wurde, nahm sie diesen Zweig mit in ihre Zelle. Und siehe da: Kurz vor ihrem Tod beginnt der dürre Ast zu blühen.
Das fremdartige Bild von den Blüten im Winter wandelt sich hier in ein trostvolles Zei-chen. Der blühende Zweig erzählt, im Angesicht des Todes, von neuem Leben. Der blü-hende Zweig im Winter ist aber auch ein Symbol des Widerstandes. Die Blüten stehen für den Aufstand gegen die winterliche Natur. So wie Barbara den Aufstand gegen ihren Vater übt. Ihren eigenen Kopf behält. Sich nicht bevormunden und verbiegen lässt.
Trost und Widerstand: An beides lässt sich denken, wenn an Weihnachten die Zweige blühen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=274
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