SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Heute feiern die Christen den ersten Advent. In meiner Wohnung habe ich wie jedes Jahr einen Adventskranz aufgestellt und entzünde heute die erste Kerze. In den Kirchen singen wir die alten schönen Adventslieder. Damit stimmen wir uns ein in die vor uns liegenden Wochen.
Der erste Advent - Auftakt für die stimmungsvollste Zeit des Jahres. Der Duft der Weihnachstbäckerei weht schon durch manche Küche. In den Schulen und Kindergärten werden die neuesten Bastelideen umgesetzt. Geschenke werden gekauft und Briefe an Freunde und Verwandte mit viel Liebe und Ausdauer geschrieben. Das alles sind lieb gewordene Gewohnheiten, Rituale, auf die wir nicht verzichten wollen.
Auch wenn wir manchmal stöhnen, dass die Adventszeit so hektisch ist und vollgepackt mit Terminen und wir deshalb gar nicht mehr richtig zur Besinnung kommen – verzichten wollen wir dann doch nicht darauf.
Auch das Adventskonzert der Kinder in der Musikschule soll sein und das Flöten im Altenheim, das ein Leuchten in die Gesichter der Betagten zaubert. Das alles ist es einfach wert. Das schöne Gefühl vom Advent.
Doch was feiern eigentlich die Christen im Advent? Advent ist ein lateinisches Wort und heißt Ankunft. Wer kommt denn an? Wer wird wohl erwartet?
Die Christen glauben: Im kleinen Kind Jesus ist Gott in die Welt gekommen. Damals in Bethlehem, im ärmlichen Stall. Und weil es gut ist, dass sich Menschen vorbereiten auf so ein wichtiges Ereignis, hat die alte Kirche im 4. Jahrhundert nach Christus die Adventszeit eingeführt.
Die Gläubigen sollten sich auf dieses große Ereignis einstimmen:
Jesus Christus, Gottes Sohn ist geboren.
Und das taten sie durch die Jahrhunderte bis heute auf ganz verschiedene Weise.
Manche Christen fasten in der Adventszeit, andere gönnen sich bewusst eine Stunde Stille am Tag. Etliche besuchen Adventsgottesdienste und andere sind engagiert beim Verkauf von Waren für Notleidende. Ich selbst gehe in der Adventszeit gerne in ein festliches Konzert.
Mit all diesen Handlungen bereiten wir uns im Advents auf Weihnachten vor, auf die Ankunft Gottes. Denn mit Gottes Ankunft
verändert sich etwas entscheidendes in unserem Leben: Die Hoffnung tritt ein. Die Hoffnung, dass ich auch in der einsamsten Stunde, im dunkelsten Kapitel und im schwersten Schicksal nicht alleine bin. Dass Gott auch zu mir kommt und für mich eine Tür ins Licht aufgeht.

Teil 2
Schön finde ich in der Adventszeit besonders die Dämmerung. Denn sie lädt dazu ein, Kerzen zu entzünden. Der Schimmer der Kerzen schenkt Wärme und sanftes Licht.
Und auch, wenn es ganz dunkel ist, habe ich nicht das Gefühl, im Finstern zu sitzen. Selbst der Schein nur einer Kerze schenkt ein irgendwie tröstliches Licht. Das ist ja der geheimnisvolle Zauber der Adventszeit, dem wir uns nur schwer entziehen können. Mit dem Kommen von Jesus Christus in die Welt, mit seiner Ankunft, ist ein hoffnungsvolles Licht aufgegangen. Ein Hoffnungslicht, das auch heute noch leuchtet. Dann nämlich, wenn sich eine Verheißung aus einem alten Prophetenbuch wieder neu erfüllt.
Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer. Damals, als der Prophet Sacharja das weissagte, galt es dem alten Gottesvolk, Israel.
Endlich sollte der kommen, der Gerechtigkeit und Hilfe bringen würde, der heiß ersehnte Messias. Für die Armen und für die, denen ihr Recht genommen wurde. Für die, denen niemand mehr half und die in ihrem Elend sich selbst überlassen waren. Gerechtigkeit und Hilfe für die, die zermürbt und erschöpft waren.
Die ersten Christen haben diese Weissagung gelesen und verstanden:
Jesus von Nazareth ist derjenige, der genau das erfüllt hat. Er hat sich für gerechte Verhältnisse eingesetzt. Und er hat vielen Menschen in ihrer Not geholfen.
Unser Gott, Jesus Christus, macht sich stark für Gerechtigkeit und ist ein Helfer. Das ist die adventliche Hoffnung, die über die Jahrhunderte hindurch von Generation zu Generation weitergegeben wurde.
Und wenn heute, am 1. Advent, in den evangelischen und katholischen Kirchen wie jedes Jahr die großen Hilfsaktionen von Brot für die Welt und Adveniat
starten, so geschieht das in genau dieser Erwartung: Unser Gott, auf dessen Ankunft wir uns vorbereiten, macht sich stark für Gerechtigkeit und ist ein
Helfer.
Weltweit, aber auch mitten unter uns, direkt bei uns zu Hause. Überall da, wo Not herrscht und Mangel zu spüren ist. Und deshalb ist es gut, wenn ich mich anrühren und bewegen lasse. Von fremder Not und auch von eigener Bedürftigkeit. Im Advent bin ich empfänglicher dafür und durchlässiger. Bereiter zu unterstützen und zu helfen. Aber auch offener und verletzlicher, wenn es um Ungerechtigkeiten geht. Vielleicht ist das neben allen schönen und gemütlichen Ritualen der Adventszeit der tiefere Sinn: mich anrühren, mich berühren lassen, um Gott einen wahren Nothelfer sein zu lassen.
Gerade dann, wenn ich die Hoffnung schon aufgeben will. Gerade dann, wenn sich offenbar alles gegen mich verschworen hat. Gerade dann, wenn alle Zeichen dagegen sprechen. Mich anrühren, mich berühren lassen.
Dann kann Gott in meinem Leben helfen und vielleicht auch durch mich für Gerechtigkeit sorgen.
Ich bin gespannt, was ich in dieser Adventszeit alles erleben werde, mit mir und mit meinem Gott. https://www.kirche-im-swr.de/?m=257
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