SWR4 Abendgedanken BW

SWR4 Abendgedanken BW

Guter Nikolaus,
komm in unser Haus,
triffst ein Kindlein an,
das ein Sprüchlein kann
und schön folgen will!
Halte bei uns still,
schütt dein Säcklein aus,
guter Nikolaus.
Als Kind hatte ich immer ein wenig Angst, wenn der Nikolaus kam. Er war für mich, nun, kein "Kinderschreck", aber doch als Person so etwas wie ein gestrenger "pädagogischer Zeigefinger": "triffst ein Kindlein an, das ein Sprüchlein kann und schön folgen will!" Wenn nun das "Kindlein" nicht "schön folgen will", gab's dann nichts oder gar Schläge mit der Rute?
Erst, als er dann "entzaubert" war - "Den Nikolaus, den gibt's doch gar nicht!", hatten andere Kinder mich ausgelacht - konnte ich die gar nicht beängstigenden freundlichen Seiten dieser Gestalt erkennen.
Die brummelig verstellte Stimme, hatte sie nicht einen gütigen Unterton? Die etwas ungeschlachte Art, das zu laute Poltern mit den Stiefeln, war da nicht zu spüren, dass er auf liebenswerte Weise nicht in eine funktionierende Welt hineinpasste, hineinpassen wollte? Ja, blitzte nicht der Schalk aus diesen Augen, der "dem Kindlein" zu sagen schien: "Nimm's nur nicht zu ernst, ich übertreib's ja selbst ein bisschen ..."?
Auch der Geschichtsschreibung scheint er sich zu entziehen: Da wird nur gesichert: Es gab im 4. Jahrhundert einen Bischof Nikolaus von Myra, der könnte unser Nikolaus gewesen sein. Mehr lässt er nicht über sich herauskriegen.
Auch in den Legenden um "den Nikolaus" finde ich dieses Schmunzeln, diesen Schalk.
Wer sich selbst mit allem Ernst wichtig machen will, lässt nicht drei Nächte lang heimlich je ein Säckchen voller Goldstücke vom Dach ins Zimmer armer Töchter plumpsen, damit sie das Brautgeld zur Heirat haben!
Oder als aus Seenot Gerettete ihm auf Knien danken wollen, hebt "der Nikolaus" sie auf, tritt einen Schritt zurück: "Gott hat euch gerettet, dankt ihm, ich habe nur zu ihm gebetet ...!"
Wenn er einmal streng wird (in einer Geschichte, in der er einen korrupten Beamten zur Rede stellt), bestraft er den Stadthalter nicht, obwohl er das Recht dazu hätte. Nikolaus bringt ihn dazu, seine Schuld einzugestehen, um das Recht wiederherzustellen und damit gut.
Nein, "der Nikolaus" ängstigt mich schon lange nicht mehr, im Gegenteil, ich wünschte mir mehr "Nikoläuse", aus denen die Güte Gottes spricht. Die nicht den "moralischen Zeigefinger" heben, sondern den Schalk aus ihren Augen blitzen lassen und die im Namen Gottes das Recht wiederherstellen und damit gut ...
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