SWR2 Wort zum Tag

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Werte und Fähigkeiten können verschwinden. Sie können einer Gesellschaft verloren gehen, wenn sie nicht gepflegt werden. Gerald Hüther, ein Hirnforscher, macht sich darum Sorgen um den menschlichen Basiswert: Die Liebe.
Die Liebe könnte unserer Gesellschaft verloren gehen? Halten Sie das für denkbar? Liebe ist doch angeboren? Nein, meint der Hirnforscher. Die Liebe zu einem Menschen, den man als Partner begehrt, oder die von Mutter oder Vater zum Kind: die ist vielleicht angeboren. Aber andere Formen der Liebe sind uns nicht von Natur aus gegeben: Sie sind kulturell erworben. Gelernt. Müssen geübt werden, damit sie nicht verdorren. Die liebevolle Achtung für fremde Menschen im Straßenverkehr, zB. der freundliche und solidarische Umgang mit Menschen am Arbeitsplatz. Oder gar die Liebe für Menschen, die Hilfe brauchen, für Schwache, für Andersartige. Diese Formen der Liebe können verloren gehen, meint Hüther.
Wieso? Weil andere Werte sie verdrängen können. Konkurrenz zB. Konkurrenz ist eine Gegenkraft zu Liebe. Konkurrenz trennt, Liebe führt zusammen. Gegen andere erfolgreich konkurrieren, dieser Wert ist in den letzten Jahren in der Werteskala mächtig nach oben geklettert. Nur so sei das Leben erfolgreich zu bewältigen.
Kann es da verwundern, wenn die Liebe als gesellschaftlicher Wert ins Hintertreffen gerät? Nur noch taugt fürs Privatleben. Für Paare, Freunde und die Kleinfamilie.
Was kann man tun, dass die andere, die Nächsten-Liebe nicht verdorrt?
Man muss von ihr erzählen und sie erleben, meint der Hirnforscher. Dann wird sie im Gehirn verankert. Im Einzelnen und im lebendigen Gedächtnis einer Gesellschaft.
Liebe erzählen und erleben: Eigentlich ist das Sinn und Inhalt des Christentums von Anfang an. Die große Erzählung von Gottes Liebe weitertragen und lebendig halten. Insofern ist auch der heutige Tag wie geschaffen, etwas für die Liebe zu tun. Wenn wir von Bischof Nikolaus erzählen:
In seiner Nachbarschaft lebte eine Familie mit drei Töchtern – schön und heiratsfähig. Allerdings, die Familie war verarmt. Sozial abgestiegen. Die jungen Frauen verzweifelt. Sahen keine Zukunft mehr. Um zu überleben wollten sie sich schließlich prostituieren. Aber Nikolaus erbarmt sich. Er wirft dem Vater heimlich Gold in dessen Schlafzimmer.
Nikolaus’ Liebe endet nicht an der eigenen Haustür, das ist das Schöne und Wichtige an dieser Erzählung. Liebe wirkt weiter, hinein in die Gesellschaft. Liebe als gesellschaftlicher Wert grenzt nicht aus, sie überwindet soziale Grenzen. Für Jesus reicht christliche Liebe sogar zu den Feinden. Lassen wir sie nicht verdorren.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=244
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