SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Und jetzt das Wort zum Tag mit Gotthard Fuchs.
„Das ist ein kleines Licht“ – nicht gerade eine ermunternde Bemerkung. Gemeint ist ja dann jemand, der nicht so ganz fit ist, nicht so ganz helle, wortwörtlich. Umgekehrt: wenn unsereinem ein Licht aufgeht, dann ist es immer eine erfreuliche Sache. Da klärt sich ein Sachverhalt, da kommt Bewegung in den Stau der Gedanken und Gefühle, da zeigen sich neue Perspektiven. Seit langem spricht man deshalb vom Licht der Vernunft, und wer suchte nicht jene Erleuchtung, die den wahren Weg weist und Frieden schenkt? Der Aufgang der Sonne Tag für Tag hat also mit Aufklärung zu tun: das Licht draußen und das Licht in unserem Gewissen, in unserem Denken und Wollen gehören zusammen. Ein aufgeklärter Mensch ist einer, der eigene Standpunkte hat und weiß, was er denkt und will. Er kann seine Bedürfnisse zugeben, auch seine Schwächen und Fehler. Er spürt seine Grenzen, er weiß um seine Stärken und besonderen Fähigkeiten. Er muss sich nicht aufblasen und besser erscheinen wollen als er ist. Er gehört aber auch nicht zu den Schwarzsehern und Dunkelmännern, die überall ein Haar in der Suppe finden und im Trüben fischen. Im Licht der Vernunft leben, das ist zu allen Zeiten dringlich, auch heute und jetzt. Nicht mit den Wölfen heulen, nicht einfach dem Zeitgeist hinterher hecheln, nein: immer wieder dem inneren Licht folgen. „Du, Herr, lässt meine Leuchte erstrahlen, mein Gott macht meine Finsternis hell.“ (Ps 18,29). So beten die Psalmen Israels. „Dein Wort ist meinem Fuß eine Leuchte, ein Licht für meine Pfade.“ (Ps 119, 105). Aufgeklärt ist, wer aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit heraustritt und Gebrauch macht von seiner Vernunft und seinem Gewissen. Für den Christenmenschen Immanuel Kant ist das der Inbegriff der Menschenwürde. Das Licht in der Natur findet zu sich selbst im Licht der Vernunft. Also seien wir helle, hören wir auf die Stimme des Gewissens und den Lockruf unserer Einsicht.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=195
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