Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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31MRZ2023
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Schon seit 2 000 Jahren haben wir unseren Tempel in Jerusalem nicht mehr. Denn im Jahr 70 unserer Zeitrechnung zerstören die römischen Besatzer das Heiligtum und vertreiben unsere Vorfahren aus ihrem eigenen Land. Anstelle von Opfern im Tempel treten die Tagesgebete, die Liturgie in unsere Synagogen.  Als Zeichen unseres „Vertriebenen-Daseins“ kennen wir heute keinen Opfer- und keinen Priester-Dienst mehr. Ganz im Sinne des Prophetenwortes: „Dass wir statt Opfer-Stiere die Worte unserer Lippen darbringen.“ (Hoschea 14:3) Und so leisten wir Juden heute eine Art Opfer-Dienst durch unsere andächtigen Gebete. Dieser Dienst wird ganz zutreffend als „Herzens-Pflicht“ bezeichnet.

Ich werde häufig gefragt nach dem Sinn der minutiösen Beschreibung von Tempel- und Priester-Dienst in unseren Gebetbüchern. Die Antwort führt in zweierlei Richtungen. Zum einen: Das Heiligtum und die Priesterschaft gehören für alle Zeiten zur g-ttlichen Offenbarung vom Berge Sinai. Zum anderen: Der Tempel-Kult und der Priester-Dienst gehören ganz einfach zu unserer Spiritualität. Vor allem die endzeitlichen und messianischen Erwartungen, die uns mehrfach durch unsere Propheten verheißen wurden.

Diesen kommenden Schabbat nennen wir den „großen und erhabenen Schabbat“ – den „Schabbat haGadol. Denn er ist der letzte Schabbat vor unserem Befreiungsfest „Pessach“. Wir bereiten uns auf das vor uns liegende Fest vor, das uns an die Befreiung unserer Vorfahren aus der Sklaverei und an ihren Auszug aus Ägypten erinnert. Sich Jahr für Jahr auf die einst erhaltene Freiheit zu besinnen und über den Wert von „Freiheit“ an sich nachzudenken, ist nicht leicht. Aber es lohnt sich. Für jeden Einzelnen.

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