SWR3 Gedanken

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01FEB2023
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Beim letzten Besuch bei meinen Eltern frage ich meine Mutter, ob ich nicht mal ihren Mantel mit Leopardenprint anziehen darf. Als ich ihn an mir sehe – in Kombination mit meinen bunten Sneakern und der schwarzen Leggings – gefalle ich mir ziemlich gut. Und denke mir: „Das bin total ich!“ Mein Bruder läuft an mir vorbei und sagt: „Hey, das sieht cool aus, das passt zu dir!“ Auch wenn mich sein Kompliment freut, weiß ich in dem Moment ganz genau: ich werde nicht mutig genug sein, um diese Kombination zu tragen.

Ein paar Tage später erzähle ich meinen Freundinnen von dem Leopardenmantel, der mittlerweile in meinem Schrank hängt. Prompt erzählen auch sie von Kleidungsstücken, die schon lange in ihren Schränken hängen und nie zum Einsatz kommen, weil sie sich nicht trauen; weil sie sich Sorgen machen, was Andere über sie denken; weil sie befürchten, damit aufzufallen.

Wir müssen alle über uns lachen. Denn wir sind selbstbewusste Frauen, sagen was wir denken, sind aber trotzdem zu schüchtern, um klamottentechnisch auch mal was zu wagen.

Wahrscheinlich liegt es daran, dass wir Menschen wegen ihres Aussehens sehr schnell in Schubladen stecken. Nicht umsonst heißt es: Kleider machen Leute. Und ich will eben nicht die schrille Frau im Leomantel sein. Oder vielleicht doch?

Fest steht: Mir fehlt der Mut, diese Frau zu sein. Deshalb habe ich mich mit meinen Freundinnen verabredet: An einem Abend tragen wir alle das, was schon viel zu lange in unseren Schränken darauf wartet, getragen zu werden. Und es fühlt sich gut an! Nicht, weil ich endlich auch mal die Frau im Leopardenmantel sein kann; sondern weil es entscheidend ist, in welcher Kleidung ICH mich wohl fühle, und es dann endlich mal keine Rolle spielt, was andere über mich denken.

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