Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

07DEZ2022
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Heute Morgen wünschte ich, es wäre still. Wenigstens einen Moment lang sollte es doch still sein, wenn etwas so Schreckliches passiert wie in Illerkirchberg. Ein Kind, ein Mädchen ist tot. Ein anderer, ein Mann, einer, der hier Asyl sucht, hat ihr das Leben genommen. Warum nur? Ein zweites Mädchen hat den Angriff überlebt – aber wird sie je vergessen können? Meine Gedanken und Gebete sind bei ihr. Sie sind bei der Familie, die mitten in der Weihnachtszeit am Grab ihres Kindes stehen wird. Wenn es doch nur Worte gäbe, die sie trösten könnten.

Aber ich kann mir nicht vorstellen, welche das sein sollen. Worte enden – deshalb wünschte ich ja, es wäre einen Moment lang still. Zugegeben: die Stille ist kaum auszuhalten. Erklärungen wären viel leichter zu ertragen. Antworten auf die Frage: Warum?

Wahrscheinlich ist es deshalb gerade gar nicht still – zum Beispiel auf Facebook oder Instagramm: Kommentare, Mutmaßungen und auch Schuldzuweisungen… Ich denke, es wäre wirklich besser zu schweigen und die Stille auszuhalten. Und das heißt nicht, dass die Ereignisse nicht aufgeklärt werden müssten. Es ist richtig, zu fragen. Richtig, Konsequenzen zu ziehen und die Schuldfrage zu klären. Aber nicht, um die Stille zu übertönen. Die bleibt. Wir haben keine wirkliche Antwort auf die Frage „Warum“. Nichts, was die Familien der Kinder von ihrem Schmerz erlösen könnte. Unsere Worte enden.

Um uns herum bleibt die Stille. In sie hinein können wir nur unsere Fragen schicken: Warum? Warum diese Kinder? Warum die Gewalt? Und in diese Stille hinein schicke ich meine Gebete: Für die Familie des Mädchens, das ihr Leben verloren hat. Für das Mädchen, das verletzt im Krankenhaus liegt. Für alle, die zu ihnen gehören. Und für alle, die Angst haben um ihre Kinder. Ich bete für alle, die Angst haben – gerade auch für die, die deshalb aus ihrer Heimat geflohen sind. Manche suchen Asyl bei uns – und müssen jetzt vielleicht Angst haben, dass die Tat einen Schatten auf sie wirft. Ich hoffe, und ich will vertrauen, dass da einer ist, der meine Fragen hört. Der die Angst der Menschen kennt – und ihre Traurigkeit.

Meine Fragen und meine Gebete gebe ich Gott. Andere Worte habe ich nicht. Doch ich hoffe und möchte vertrauen, dass Gottes Worte gelten, wenn meine menschlichen ende. In der Stille höre ich sein Versprechen, wie es in einem Psalm zu finden ist: „Der Herr ist ganz nahe bei den Menschen, die im Herzen verzweifelt sind. Er hilft denen, die ihren Lebensmut verloren (haben).“ (Ps 34, 19 Basisbibel)

https://www.kirche-im-swr.de/?m=36689
weiterlesen...