Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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10DEZ2022
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Muss ich mit allen Menschen auskommen? Jedem Kontakt noch etwas abgewinnen? Früher war das meine innere Einstellung, glaube ich. Vielleicht gerade als Christ – oder auch als Pfarrer. Ja, vielleicht ist mir jemand unsympathisch. Oder es ist schwierig zwischen uns. Aber zumindest in die Augen sehen können muss man sich doch noch! Die persönliche Verbindung beibehalten. So habe ich gedacht – und zu leben versucht.

So manche Bibelstelle habe ich dabei auf meiner Seite gewusst. Diese Verse hier aus einem Brief an eine christliche Gemeinde zum Beispiel: „Liebt einander von Herzen als Brüder und Schwestern.“ – „Seid alle miteinander auf Einigkeit aus.“ – „Habt anderen Menschen gegenüber nur Gutes im Sinn.“ [Römer 12,10a.16a.17b; BasisBibel] Das klingt eindeutig – und ja auch irgendwie erstrebenswert, so eine Haltung. Aber ich bin immer wieder an Grenzen gestoßen damit. Und manchmal hatte ich das Gefühl, in einer Sackgasse zu stecken, einfach nicht weiterzukommen. Weil zum Beispiel keine klare Kommunikation möglich war. Oder sich ständig persönliche Empfindlichkeiten in den Vordergrund geschoben haben. Wenn mir jemand so gar nicht grün ist, wird jede Begegnung eine Last. Wahrscheinlich für alle Beteiligten.

Heute ist mir wichtig, dass der genannte Abschnitt aus der Bibel noch weitergeht. Nämlich so: „Lebt mit allen Menschen in Frieden – soweit das möglich ist und es an euch liegt.“ [Römer 12,18; BasisBibel] Da gibt’s also doch noch eine Einschränkung. Es hängt zum Glück nicht nur an mir. Weil zum Frieden immer zwei gehören …

Das hat auch der Apostel Paulus gewusst, der diesen Brief geschrieben hat. Auch er hat in seinem Leben die Erfahrung gemacht: Manchmal geht es miteinander einfach nicht mehr weiter. Und dann muss man sich abgrenzen, vielleicht auch ganz radikal. Weil ich spüre: Dieser Mensch tut mir nicht gut! Und ich kann meine Kräfte viel sinnvoller einsetzen.

Wenn ich einem Menschen deshalb aus dem Weg gehe, mache ich ihn damit nicht schlecht. Und ich schreibe ihn auch nicht komplett ab. Vielleicht harmoniert er ja mit anderen besser als mit mir. Aber das ist nicht mehr meine Sache. Auch davon schreibt Paulus noch in seinem Brief in der Bibel: Das endgültige Urteil über andere Menschen sollen wir Gott überlassen. [Vgl. Römer 12,19] Und wer weiß? Vielleicht begegnet man sich ja irgendwann nochmal wieder – und findet doch einen Draht zueinander.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=36665
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