Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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28NOV2022
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Kaum ist der Advent da, steigt der Hektikpegel. Ich muss viel besorgen und machen und backen und vorbereiten. Im Hinterkopf habe ich eine Stimme, die da sagt: Es soll ein perfektes Fest werden.

Dabei weiß ich genau: Irgendwas geht sicher schief. Das selbstgemachte Eis zerfließt viel zu schnell. In der Kirche, wo ich Musik mache, habe ich ein Lied falsch begleitet. Ein Geschenk kommt schlecht an. Und irgendwann nervt mich der dauernde Lärmpegel bei den ganzen Verwandtenbesuchen.

Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Einerseits. Wenn alles klappt und stimmt, dann ist das toll. Eine Fest, an das ich mich lange erinnere. Das mich durch den Alltag und in das neue Jahr trägt. Und das auch all den Menschen, die ich liebe, gut tut.

Andererseits. Wo ist eigentlich das Problem, wenn nicht alles gelingt? Wenn die neue Plätzchensorte doch langweilig schmeckt? Wenn wir beim Essen über Politik und die Welt streiten? Das sind doch alles kleine Dramen. Wenn überhaupt.

Hin- und hergerissen zwischen Stress und Gelassenheit hilft mir ein Blick in die Weihnachtsgeschichte. Von Perfektion keine Spur, geschweige denn von stiller, heiliger Nacht. Menschen werden durch die Gegend gejagt. Nur wegen der Steuer. Hirten haben um ihre Herden Angst, Sterndeuter suchen verzweifelt den richtigen Weg. Perfekte Geburt? Nee. Da wird ein Kind irgendwo in einem Stall geboren. Und die Eltern müssen schon kurz nach der Geburt fliehen.

Die Weihnachtsgeschichten erzählen vom Unperfekten. Von einer windschiefen Zeit, einer Geburt unter widrigen Umständen. Von Gästen, die eigentlich nicht eingeplant waren. Von Menschen auf der Flucht.

Das will ich mir zu Herzen nehmen: Weihnachten wird es auch dann, wenn nicht alles gelingt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=36627
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