SWR2 Wort zum Tag

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25NOV2022
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Mit dem Fahrrad zur letzten Ruhe. Sieht noch ungewohnt aus, ist aber möglich. Michael Olsen hat ein Bestattungsrad gebaut. Das E-Bike sieht aus wie ein riesiges langes Lastenfahrrad. Also der Sarg liegt vor dem Lenker auf einer langen Ladefläche. Der Oldenburger Künstler ist damit erstmal durch die Stadt gefahren und hat geschaut, wie die Leute reagieren. Das war ganz unterschiedlich. Grinsen, Wegschauen, Kopfschütteln.
Michael Olsen will mit seinem Bestattungsrad ausdrücken, dass der Tod ins Leben gehört und damit auch in die Öffentlichkeit. Für ihn ist es schwer zu ertragen, wenn schwarze Autos mit zugezogenen Gardinen an ihm vorbeifahren, und er weiß, darin liegt ein verstorbener Mensch. Sein Ziel ist es, den Tod so zu nehmen, wie er ist: selbstverständlich.
Mit dem Fahrrad auf den Friedhof, das gibt es inzwischen öfter. In Dänemark, in der Schweiz, aber auch bei uns in Deutschland bieten immer mehr Bestattungsunternehmen den Transport per Fahrrad an. Das gilt natürlich für Sarg und Urne.
Den Tod mitten ins Leben holen, das habe ich öfter in einem kleinen Dorf im Odenwald erlebt. Dort findet die Trauerfeier möglichst draußen am Haus der oder des Verstorbenen statt. Die Verwandtschaft und die Menschen aus dem Dorf treffen sich am Lebensort der Mutter, des Vaters oder der Freundin. Dort am Haus wird der Gottesdienst gefeiert, und dann geht es gemeinsam mit dem Sarg oder der Urne auf den Friedhof. Der Weg ist relativ weit und er geht bergab. Die Menschen, die den Sarg schieben oder die Urne tragen, müssen ganz schön aufpassen.
In diesem Ort gehört der Tod ins öffentliche Bild. Es gibt nur eine Straße, und wenn eine Beerdigung ist, kommt niemand mit dem Auto durch. Am Tod führt kein Weg vorbei.
Ich habe dort sehr gerne Beerdigungen gefeiert. Es war so selbstverständlich, irgendwie logisch, sich an dem Ort zu verabschieden, an dem das Leben stattgefunden hat. Ich weiß, dass das nicht überall möglich ist. Umso schöner, dass es das gibt.
Das Leben und der Tod - beides findet statt. Deshalb gefällt mir das Sarg-Rad richtig gut. Ich hoffe, dass das Lastenrad für den Sarg oder die Urne immer mehr ins Blickfeld rückt. Und damit auch der Tod selbstverständlicher zu unserem Leben gehört.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=36593
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