SWR3 Gedanken

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01OKT2022
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Seit September gibt es kein 9 Euro Ticket mehr – dieser Luxus ist leider vorbei. Und das merke ich auch, wenn ich in Stuttgart mit Bus und Bahn fahre. Der Nahverkehr ist deutlich leerer als sonst – und das, obwohl die Schule wieder begonnen hat.

Ich ärgere mich erstmal, weil ich denke: Jetzt fahren alle wieder mit dem Auto, war ja klar. Aber so ganz stimmt das nicht. Denn für viele ist es gar nicht die Frage von Geiz oder Bequemlichkeit, auf die öffentlichen Verkehrsmittel zu verzichten. Es ist viel mehr das Problem, dass sich viele Menschen weder Auto, noch ein Bus- oder Bahnticket leisten können. Für die ist Mobilität ein Luxus. Und während ich mir den Luxus eines Monatstickets oder einer spontanen Bahnfahrt am Wochenende zu meiner Freundin nach Regensburg leisten kann, müssen andere zu Hause bleiben. Wer sind diese anderen?

Es sind Flüchtlinge in Sammelunterkünften auf dem Land, die jetzt nicht mehr ohne Weiteres einen Ausflug in die Stadt machen können. Obdachlose, die auf der Suche nach einem Schlafplatz sind und zu Fuß keinen finden; oder die Familie von nebenan, von der ich gar nicht weiß, dass sie sich das nicht leisten kann und die deshalb nun wieder die Wochenenden zu Hause verbringen muss.

Woher ich das weiß? Unter dem Hashtag „IchbinArmutsbetroffen“ solidarisieren sich von Armut betroffene Menschen auf Twitter. Dort erzählen sie sich, was es wirklich bedeutet, arm zu sein. Wie es ihnen mit den aktuellen Supermarktpreisen geht, wie es ist, sich Medikamente nicht leisten zu können oder eben zu Hause bleiben zu müssen, weil Auto und Bahn zu teuer sind.

So etwas wie ein 9 Euro Ticket ist für mich ganz praktisch, aber für viele die Chance, endlich auch mal rauszukommen. Eben wahrer Luxus. Und den haben doch wirklich alle verdient. Alle!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=36250
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