SWR3 Gedanken

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25SEP2022
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Als die Queen gestorben ist, habe ich als erstes an meine Großmutter gedacht.

Mit ihr hätte ich am liebsten darüber gesprochen – über das Leben der Queen, über ihre Bedeutung, ihre Stärken und ihre Schwächen. Was man eben so macht, wenn ein Mensch verstirbt – an ihn denken.

Und so denke ich drei Jahre nach dem Tod meiner Großmutter wieder an sie. Sie hatte immer einen besonderen Bezug zu England; sie hat die Teatime geschätzt, den Gin und den britischen Anstand. Sie war selbst eine kleine Queen, in ihren Schuhen mit hohem Absatz, dem rosa Kaschmirpullover und ihren Diamanten an den Fingern. Sie hatte alle im Griff und regierte ihr Umfeld. Ich fand das immer krass und habe schon in meiner Jugend begonnen, mit ihr häufig zu streiten. Am liebsten darüber, was sich ziemt und vor allem nicht ziemt. Bis zum Schluss. Eine Sache gab es da an ihr, die habe ich so nie wieder erlebt: Sie hat immer an alle gedacht: An jeden Geburtstag, jeden Gedenktag. Sie war die Meisterin des Briefschreibens. Sie hat immer gewusst, wenn es jemandem nicht gut ging und ließ uns Enkelkinder nie ohne Betthupferl und Schutzsegen ins Bett. So sehr sie auch – eben wie eine Monarchin – die Kontrolle über ihr Königreich suchte, sie hatte stets einen aufmerksamen Blick für ihr Gegenüber und die festeste Umarmung parat. Wenn ich daran denke, vermisse ich sie.

Und deshalb kann ich auch verstehen, wenn nun ein ganzes Königreich ihre Queen vermisst.

Wie schwierig auch eine Beziehung war, wie polarisierend manche Persönlichkeiten sind – wenn wir einen Menschen auch Jahre später noch vermissen, dann war er wichtig. Und bleibt es auch für den Rest des Lebens.

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