SWR3 Gedanken

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19SEP2022
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Abide with me! Bleib bei mir! So heißt ein Abendlied, das der schottische Pfarrer Henry Francis Lyte vor 175 Jahren geschrieben hat. Seither ist es vor allem auf Beerdigungen oft gesungen worden. Denn der Abend eines Tages wird darin mit dem Lebensabend eines Menschen verglichen. Und das schwindende Tageslicht braucht wie das verlöschende Lebenslicht in besonderem Maße Gottes Nähe. Dem spürt das Lied nach. Ob es auch heute bei der Beerdigung der Queen gesungen wird, das weiß ich nicht. Aber passen würde es. Nicht nur, weil die Queen in Schottland gestorben ist, wo das Lied entstanden ist, sondern auch wegen folgender Zeilen Da heißt es: Umringt von Fall und Wandel leben wir – unwandelbar bist Du, Herr bleib bei mir.

Ich glaube dieser Vers drückt etwas von dem aus, warum so viele Menschen angerührt sind vom Tod der Queen. Nach siebzig Jahren Regentschaft schien es fast so, als ob sie für immer da sein würde – bis in alle Ewigkeit. Und das ist beruhigend gewesen, in einer Welt in der sich alles ständig wandelt und verändert. Ein tröstlicher Gedanke, dass da eine ist, die bleibt – unwandelbar. Freundlich und zugewandt. Eine, auf die man sich verlassen kann in guten und in schlechten Zeiten. So eine Institution /ein Mensch war die Queen für viele. Aber kein Mensch ist ewig. Und das ist schwer auszuhalten. Wie schwer, das zeigen die vielen Menschen, die um die Queen trauern. Es sind hunderttausende. Aus aller Welt. Ich glaube, die Queen hat gewusst, wie schwer es ist, im Wandel der Zeit zu bestehen und nicht mitgerissen zu werden vom Strudel des Weltgeschehens. Sie hat einmal gesagt, dass der Glaube ihr Anker im Leben sei. Sie hat gewusst: nur Gott ist ewig. An ihm können Menschen sich festmachen – in einer Welt, die sich ständig wandelt.  Im Lied klingt das dann so: Wer hilft mir sonst, wenn ich den Halt verlier? In Licht und Dunkelheit, Gott, bleib bei mir!

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