SWR3 Gedanken

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18SEP2021
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Wie gut, wenn man Freunde hat, die schonungslos ehrlich zu einem sind. Meine Freundin Uli ist so jemand. Sie war ganz ehrlich in einer Situation, in der ich voll gestresst war. Da treffe ich Uli und sie sagt zu mir: „Jetzt bist du wie deine Mutter.“ Das sitzt und ich bin erstmal irritiert. Uli sieht mich an und merkt, dass ich an ihrem Satz ganz schön zu knabbern habe. Sie will erklären, wie sie das meint und fängt an von ihrem Lieblingsfilm zu erzählen. Es ist ein Film über den Komiker Hape Kerkeling. Er heißt „Der Junge muss an die frische Luft“. Ganz am Ende des Films fragt sich Hape, wer er nun geworden ist, nach so vielen Lebensjahren. Er kommt zu dem Schluss: „Ich bin meine Mutter und mein Vater. Ich bin meine Großeltern und mein Bruder.“ Uli schaut mich dabei versöhnlich an, aber ich wehre mich dagegen. Ich bin nicht meine Mutter. Ich bin ein eigener Mensch. Und ich muss auch nicht sein, wie meine Familie war.

Ein paar Tage nach dem Gespräch bringt Uli mir das passende Buch zum Film. Ich lese, was Hape Kerkeling an der Stelle noch weiter schreibt: „Ich bin meine Tante Gertrud und Onkel Kurt und Frau Strecker und viele mehr. Jeder hat mich zu dem gemacht, was ich bin.“ Das hört sich etwas anders an, das kann ich voll unterschreiben. Ich bin geprägt, von dem, wie meine Familie früher zu mir war und von all den Menschen, mit denen ich aufgewachsen bin. Aber ich kann frei damit umgehen. Vielleicht muss ich mich von manchem losreißen, und anderes kann ich liebend gerne so übernehmen, wie ich es gelernt habe. Und es tut gut, zu wissen, woher es kommt: aus der Familie.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33916
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