SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

05AUG2021
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Es gibt nur eine Erde. Was ist das für eine Aussage! Banal und selbstverständlich, weil darüber kein Zweifel besteht. Jeder weiß das. Niemand kann es bestreiten. Dann aber auch hart, traurig und von großer moralischer Wucht. Weil es oft ganz anders aussieht. Die Menschheit lebt, als hätte sie noch eine zweite in Reserve. Wir plündern sie aus. Und durch unseren übermäßigen Verbrauch zerstören wir sie immer mehr. Das Klima ist ein Indikator dafür. Es verändert sich und das hat schwerwiegende Folgen. Wie wir in den letzten Wochen auch in Deutschland zu spüren bekommen haben. Nur ein Narr kann behaupten, dass die heftigen Unwetter ein Zufall sind. Fast scheint es, als würde unsere Erde sich wehren.

Es gibt nur eine Erde. Mir ist dieser Satz bekannt. Ich weiß, wofür er steht. Aber als ich ihm das letzte Mal begegnet bin, war das anders. Da stand ein Junge an der Kreuzung, zehn Jahre alt vielleicht, mit Sommersprossen im Gesicht. Und er trug ein T-Shirt, auf dem dieser Satz stand. Das hat mich getroffen. Wie eine sanfte Ohrfeige. Nicht grob, aber spürbar. Dass mir das ein so junger Mensch sagen muss. Dass ich nicht jeden Tag von allein dran denke. Dass ich oft genug auch einer bin, der das vergisst. Es war diese Kombination aus dem, was mir schon so lange klar ist, und diesem jungen Menschen - zwei Generationen nach mir geboren. Sie hat mir so glasklar vor Augen geführt wie nie zuvor: Jetzt genügt es nicht mehr, diesen Satz für wahr zu halten. Jetzt muss etwas getan werden.

Es gibt nur eine Erde. Alles auf ihr hängt miteinander zusammen. Es ist ein kompliziertes Gefüge. Ich bin ein Teil davon. Nur: Ich bin schon älter, habe den Großteil meines Lebens hinter mir. Der Junge aber, er braucht diese eine Erde. Sie ist für die nächsten Jahrzehnte sein Lebensraum. Und ich trage Verantwortung, dass er das sein kann. Aus diesem Grund gebe ich Ihnen einen Gedanken mit in diesen Abend. Als ich jung war, konnte ich den Text so ziemlich auswendig. Er stammt von einem, der schon vor hundertfünfzig Jahren gedacht hat, was bis heute nicht nur richtig ist, sondern überlebenswichtig. Aus der Rede des Indianerhäuptlings Seattle an die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika:

Wie kann man den Himmel kaufen oder verkaufen - oder die Wärme der Erde? Diese Vorstellung ist uns fremd. (…)  Jeder Teil dieser Erde ist meinem Volk heilig, jede glitzernde Tannennadel, jeder sandige Strand, jeder Nebel in den dunklen Wäldern, jede Lichtung, jedes summende Insekt ist heilig, in den Gedanken und Erfahrungen meines Volkes. (…) Wir sind ein Teil der Erde, und sie ist ein Teil von uns.

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