SWR1 Begegnungen

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13MAI2021
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Miriam Küllmer-Vogt Foto: Pietro Sutera

Janine Knoop-Bauer trifft: Miriam Küllmer-Vogt, Beauftragte der EKHN für den Ökumenischen Kirchentag 2021 in Frankfurt

Tanzhaltung: Umgang mit der Krise

Die 48jährige evangelische Pfarrerin und Künstlerin ist im Leitungsteam für den Ökumenischen Kirchentag, der heute in Frankfurt beginnt. Wie geht es los, habe ich sie gefragt:

Der ÖKT macht einen großen Himmelfahrtsgottesdienst über den Dächern von Frankfurt und …dieser Gottesdienst ist auch digital zugänglich. Natürlich kann man sich den anschauen, und das ist gewissermaßen der Startschuss für das digitale Programm, was jetzt vier Tage laufen und uns begleiten wird.

Seit über drei Jahren plant das Leitungsteam diesen Start. Dass es nun wirklich losgehen kann, das war gar nicht selbstverständlich. Kirchentag, das bedeutet eigentlich vor allem Begegnung und Hunderttausende Menschen an einem Ort. Corona macht das unmöglich. Wie ist es gewesen, als klar wurde: der Ökumenische Kirchentag kann in geplanter Weise nicht stattfinden?

Als dann klar war, es wird in dieser Form jedenfalls, wie es geplant war, nicht stattfinden, war bei manchen eine große Erleichterung. Bei manchen eine große Erschöpfung. Nicht Enttäuschung im Sinne von: Oh, das haben wir gar nicht erwartet, so nicht, sondern eine Erschöpfung deswegen, weil natürlich die ganze Zeit noch daran gearbeitet wurde, es weiterhin so durchzuführen wie geplant und irgendwie möglich zu machen und dann zu sagen so Schlussstrich: Einen Abend der Begegnung wird es gar nicht geben. Da sind manche schon echt in ein Riesenloch gefallen. 

Wie macht man das, ein Team zu motivieren, das so eine Enttäuschung wegstecken muss. Miriam Küllmer-Vogt hat sich da von einer der Bundesfreiwilligen mitreißen lassen. Die hatte eine besondere Art, die Krise zu bewältigen:

Sie sagte dann: „Als bei uns BFDlern die Nachricht ankam: Der ÖKT findet gewissermaßen in dieser Form nicht statt, da haben wir ein ganzes Wochenende lang in unserer WG durchgetanzt. Solange bis die Stimmung wieder gut war. Und am Montag sagt sie, geht es mir gut. Ich bin bereit, was Neues auszuprobieren.“ …

Ich habe gleich einen Song daraus gemacht, der heißt Tanzhaltung, weil ich gedacht habe, Tanzhaltung, das ist vielleicht die richtige Haltung, um überhaupt durch diese Corona-Krise hindurchzugehen, also eben die Haltung zu bewahren und auch so ein bisschen was Tänzerisches, nämlich eine Anpassungsfähigkeit und die Bereitschaft, was Neues auszuprobieren. Das fand ich sehr berührend. Und der Gedanke begleitet mich bis heute.

Aber es war auch ein bisschen Trotz mit im Spiel bei der Entscheidung: Ja, wir machen den Ökumenischen Kirchentag trotz Corona.

Also wenn die Alternative im Raum steht, gar nicht oder anders,dann ist das schon eine große Motivation und auch noch mal eine große Möglichkeit, Kraft zu schöpfen.

Wie genau das Team des Ökumenischen Kirchentags diese Kraft eingesetzt hat, davon mehr nach dem nächsten Titel

Seht hin! Einfach mal anfangen…

Miriam Küllmer-Vogt ist eine von denen, die den Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt, der heute beginnt, maßgeblich mit vorbereitet hat. Durch corona findet das meiste digital statt. Für das Team war das eine große Herausforderung. Dabei wurden ganz neue Wege ausprobiert:

Als klar war, es muss alles anders werden, wurden alle Mitarbeitenden gefragt…Was kannst du? Was willst du? Wofür interessierst du dich? … und anhand dieser Abfragen auch von Vorlieben, von Können, von Begeisterung, wurden ganz neue Teams zusammengestellt, die auf eine ganz neue Art zusammenarbeiten: Flache Hierarchien. In einem Team gibt es nicht mehr die Frage wer ist der Chef? Wer nicht. Sondern es ist ein agiles Arbeiten entstanden, wie es der Kirchentag und Katholikentag, glaube ich, noch nie erlebt hat. Und diese Bereitschaft, sich wirklich auf was Neues einzulassen, hat auch Energie freigesetzt, die nötig war, um das auf die Beine zu stellen.   

Und was sie auf die Beine gestellt haben ist eine Menge. Unter dem Motto: Seht hin! gibt es ab heute vier Tage Programm. Unter www.oekt.de vor allem im Internet. Das Motto ist eine Anspielung auf eine biblische Geschichte. Dort wird erzählt, wie es Jesus und seinen Freunden einmal gelungen ist sehr viele Menschen satt zu machen obwohl augenscheinlich viel zu wenig Proviant da war. Wie versteht Sie diese Geschichte:

das Wunder könnte ja auch darin bestehen, dass Menschen anfangen zu teilen, was sie haben und dann merken, wenn wir teilen reicht es für alle. Wenn man sich die Geschichte anschaut und sieht: Es ist aber nur so wenig da. Dann finde ich es auch spannend zu sagen: okay, wir denken, es reicht nicht für alle. Aber wir nutzen das, was da ist, und fangen einfach mal an.

Einfach mal anfangen! Sich nicht von den äußeren Umständen kirremachen lassen, sondern zuversichtlich das nutzen, was da ist. Ich finde das ist eine sehr christliche Haltung. Gottvertrauen spüre ich da, aber auch Selbstvertrauen – denn das braucht man, um eine so große Veranstaltung zu managen. Das meiste findet nun digital statt. Aber Miriam Küllmer-Vogt sagt: Ihnen ist auch wichtig gewesen, dass es wenigstens kleine analoge Elemente gibt:

An der Hauptwache haben wir einen großen Tisch aufgestellt…Dreißig mal acht Meter lang ist die Installation. Eigentlich sind es vier Tische, die voneinander getrennt sind…und für mich stehen sie auch ein Stück weit für die Trennungen in der Kirche, auch in unserer Gesellschaft, auch für die unterschiedlich großen Stühle, an denen wir in unserer Gesellschaft sitzen. Und wir kommen einfach nicht zusammen. …

Aus einem gewissen Blickwinkel heraus gesehen sieht der Tisch wie ein großer Tisch aus. Also wenn man so ein Podest hochsteigt, oder es gibt auch Rollstuhlrampe dafür, dann gibt es dort einen goldenen Ring. Ich nenne das mal den goldenen Blick. Wenn du durch den durchschaust dann, sehen diese vier Tische plötzlich aus, als wäre es ein Tisch, an dem alle Platz finden.

Ein Tisch an dem alle Platz finden: Ein Hoffnungsbild auch für die Zeit nach corona. Ab heute in Frankfurt auf dem Ökumenischen Kirchentag. 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33146
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