Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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14APR2021
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„Jetzt bin ich doch so geworden wie er.“ Das hat mir im Gespräch mal ein Mann gesagt. Und damit hat er seinen Vater gemeint. Der war gerade verstorben, wir haben seine Beerdigung geplant. Wir haben über das Leben des Vaters gesprochen, über seine besondere Art. Und auch über die Schattenseiten seines Charakters – die übertriebene Strenge zum Beispiel oder die Schwierigkeiten, sich auch mal was zu gönnen. „Ich mache es mal ganz anders!“, hatte der Sohn sich vorgenommen. „Ich werde ein besserer Ehemann und Vater!“ Aber in unserem Gespräch ist ihm nur das schwere Eingeständnis geblieben: „Jetzt bin ich doch so geworden wie er.“

Unsere Eltern prägen uns — ob wir wollen oder nicht. Im Guten und im Schlechten. Und es ist sehr schwierig, dann auszubrechen und es besser zu machen. So verstehe ich auch einen Text in der Bibel, der zunächst sehr bitter und beunruhigend wirkt: „Du [, Gott,] verfolgst die Schuld der Väter an Kindern und Enkeln bis in die dritte und vierte Generation.“ [2. Mose 34,7b; BasisBibel] Ich lese da heraus: Was Eltern tun, wirkt sich aus. Auch das Schwierige wirkt fort – und da können die Kinder gar nicht so viel dagegen tun. So, wie der Mann das bei Tod seines Vaters gemerkt hat.

Interessant ist aber auch, wie dieser eine Bibelvers beginnt: „Tausende lässt du deine Güte erfahren. Du vergibst Schuld, Vergehen und Sünde.“ [2. Mose 34,7a; BasisBibel] Darauf liegt der Schwerpunkt. Und wichtig finde ich die Zahlen, die hier aufeinanderstoßen. Bis in die dritte oder vierte Generation wirkt das Negative nach. Aber Tausende erfahren Gottes Güte und Vergebung. Das könnte doch heißen: So schwer die Grundvoraussetzungen auch sein mögen – sie müssen den Weg in eine bessere Zukunft nicht verbauen. Die Vergangenheit muss einen nicht lähmen – und eine Wendung ins Positive ist immer möglich. Wenn die Verhältnisse schlecht sind, muss man noch längst kein schlechter Mensch werden.

„Jetzt bin ich doch so geworden wie er“? In dem Gespräch mit dem Mann damals haben wir dann noch entdeckt: Die schwierigen Charaktereigenschaften des Vaters haben sich längst nicht überall durchgesetzt. Seinen Kindern gegenüber konnte der Sohn zum Beispiel durchaus sehr großzügig sein. Und er hatte ein besonderes Hobby, das Zeit und Geld gekostet hat. Das hätte der verstorbene Vater so sicher nicht gemacht. Da ist also bei allem Schweren was in Bewegung gekommen. So sehr wir geprägt sind von unseren Eltern – auch Veränderung ist möglich.

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