Morgen Abend werden viele eine Kerze ins Fenster stellen. Kerzen sind in der Adventszeit nichts Besonderes. Morgen aber schon. Denn am zweiten Sonntag im Dezember denken viele Familien an ihre verstorbenen Kinder. Und dazu stellen Menschen rund um die Erde eine Kerze ins Fenster. Und zwar morgen um 19:00 Uhr Ortszeit. Durch die Zeitverschiebung ergibt sich dadurch so etwas wie eine symbolische Lichterkette. Diese Lichterkette soll an die verstorbenen Kinder erinnern.

Wir haben das Glück, dass unsere Kinder leben. Trotzdem will ich morgen mitmachen. Denn ich kenne Familien, deren Kinder sind viel zu früh verstorben. Eltern leiden unendlich, wenn sie ihre eigenen Kinder begraben müssen. Viele Beziehungen zerbrechen daran. Weil Mütter und Väter unterschiedlich trauern, weil sie ihren Schmerz unterschiedlich schnell in ihr Leben integrieren können. Mit diesen Familien möchte ich morgen solidarisch sein.

In vielen Städten feiern Eltern, Geschwister und Großeltern auch Gottesdienste zum Gedenken an ihre verstorbenen Kinder. Die Familien können ihre Trauer zum Ausdruck bringen. Alle im Gottesdienst wissen, wie es ist, ein Kind zu verlieren. Manche von ihnen wenden sich mit ihrer Wut, ihrer Ohnmacht und ihrem Schmerz auch an Gott. Manche Familien tun das schon seit vielen, vielen Jahren.

Andere können mit Gott und dem Glauben nichts mehr anfangen. Sie sagen: „Wenn Gott alles Leben schenkt, warum hat er unserem Kind nicht mehr Lebenszeit geschenkt?“ Ich kann das gut verstehen. Ich habe auch keine Antwort auf diese Frage. Aber es tut mir schon gut, sie einfach nur stellen zu können. Und es tut mir gut, Gott anzuklagen. Auch wenn ich keine Antwort bekomme.

Für mich sind solche Gottesdienste ein Segen. Dass diese Trauer unter uns einen Raum und Zeit bekommt. Dass sie sein darf. Im Vertrauen darauf, dass es irgendwann eine Antwort auf alle Fragen gibt.

Deshalb werde ich morgen um 19:00 Uhr eine Kerze ins Fenster stellen.