SWR2 Lied zum Sonntag

SWR2 Lied zum Sonntag

„Come healing“ --- Komm, Heilung.“ Das Lied für heute trägt nicht nur diesen Titel. Die Bitte, dass heil werden möge, was zerbrochen ist, verletzt, angeknackst, verwundet, geschunden oder verrückt, diese Bitte von Leonard Cohen zieht sich durch das ganze Lied. Vom ersten bis zum letzten Ton spürt man, er weiß, durch die Welt, durch Menschen gehen Risse. Aber Cohen beklagt das nicht. Er weiß, die Welt ist nicht heil.

Es berührt mich jedes Mal, wenn ich in einem Konzertmitschnitt sehe, wie er dieses „come healing“ singt. 4 Jahre vor seinem Tod, mit 78 war er noch auf Tournee. Der altersweise Mann kniet. Er gibt nicht nur ein Konzert, er betet singend. „A penitential hymn“ nennt er das Lied selbst im Text, eine Bußhymne, treffender vielleicht einen Bußpsalm.

Musik 1  come healing

Behold the gates of mercy
In arbitrary space
And none of us deserving
the cruelty or the grace

O, solitude of longing
Where love has been confined
Come healing of the body
Come healing of the mind

O, see the darkness yielding
That tore the light apart
Come healing of the reason
Come healing of the heart

Seht die Tore der Barmherzigkeit,
im willkürlichen Raum
und keiner von uns verdient
die Grausamkeit oder die Gnade.

O, Einsamkeit der Sehnsucht,
wo die Liebe gefangen war.
Komm, Heilung des Körpers!
Komm, Heilung des Geistes!

Oh, sieh, wie die Dunkelheit nachgibt,
das Licht hat sie auseinander gerissen
Komm, Heilung des Verstandes.
Komm, Heilung des Herzens.

Komm Heilung des Körpers, des Geistes, der Vernunft, des Herzens.“ Sie ahnen vermutlich auch, wovon Leonard Cohen hier spricht: Wir Menschen können einander überall verletzen und sind selbst überall verletzlich. Wer älter geworden ist, kann sein Lied davon singen.

Knacks und tiefe Risse gehen für Cohen aber auch durch die Erde, sogar die Himmel sind betroffen. Und auch wenn er es nicht wörtlich sagt: auch Gott trägt diesen Riss in sich. Hier spürt man Cohens jüdische Religiosität. Und als Christ sage ich das auch: Gott leidet an und mit Menschen. Und mehr denn je mit seiner Schöpfung.

Aber Leonard Cohen jammert nicht. Seine Musik atmet Selbstironie, auch eine gewisse Gelassenheit. Vor allem aber kann er nicht aufhören, um Heilung zu beten. Obwohl, wo kann sie herkommen, wenn selbst Gott leidet?

 

Musik 2  come healing undivided love

O, troubled dust  concealing
An undivided love T
he heart beneath is teaching
To the broken heart above

And let the heavens falter
Let the earth proclaim
Come healing of the Altar
Come healing of the Name
 

O, Staub aus Leiden;  
der ungeteilte Liebe verdeckt.
Das Herz unten lehrt
das gebrochene Herz oben.

Und lass die Himmel wanken,
lasst die Erde verkünden:
Komm, Heilung des Altars!
Komm, Heilung des Namens

Woher kann Heilung kommen? Vielleicht beginnt sie, wenn wir die Risse spüren, die durch Menschen und durch die Welt gehen. Sie nicht verdrängen, nicht überspielen mit Konsum oder falschem Trost. Sondern ehrlich verlangen nach Heilung und Heil.

Musik 3 Come healing 

In einem früheren Gedicht hat Leonard Cohen einmal den Gedanken formuliert: “There is a crack in everything. That's how the light gets in. - Durch alles geht ein Riss. Und genau da fällt das Licht ein.“ Ich glaube, diese Bitte um Heilung, geht an alle, die sie hören können: an mich, an Gott, an Sie: „Lasst die Himmel sie hören, die Bußhymne. Komm Heilung des Geistes, komm Heilung der Glieder.“

Musik 4 

O let the heavens hear it
The penitential hymn C
ome healing of the spirit
Come healing of the limb

O lass die Himmel sie hören!
Die Bußhymne.
Komm, Heilung des Geistes.
Komm, Heilung der Glieder.

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Musiken 1 2 und 4 “Come Healing” track 8 aus  CD Leonard Cohen; Old Ideas
Musik 3    “Come healing” track 9 aus CD 1 Leonard Cohen, Live in Dublin

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28687
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