SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Das war ganz schön zäh mit der Regierungsfindung in unserem Land. Fünf Monate ist es inzwischen her seit wir gewählt haben und immer noch ist der Stillstand nicht beendet. Aber Moment mal: War es denn wirklich ein Stillstand? Haben Sie in ihrem Alltag erlebt, dass das Land irgendwie stillgestanden wäre? Mir ist es jedenfalls nicht aufgefallen. Die Schulen, die Ämter, die Leistungen, die vom öffentlichen Dienst ausgehen, irgendwie lief alles weiter. Ein starkes Zeichen dass unsere Ordnung, unser Gemeinwesen gut funktioniert, auch wenn nicht klar ist, wer in Zukunft regieren und wer die Ministerien leiten wird. Für mich ist dies ein Zeichen der Hoffnung und es beruhigt mich, entgegen all der negativen Stimmen dieser Tage. Ich finde es nämlich bedrückend, wie mies zur Zeit die Stimmung ist in einem Land, dem es wirtschaftlich so gut geht wie nie zuvor. Diejenigen, die von der guten ökonomischen Lage leider nicht profitieren, haben allen Grund lautstark ihre Stimme zu erheben. Mir scheint aber, dass am meisten geklagt wird von Mitbürgern, denen es eigentlich ausgesprochen gut geht. Die Soziologen sagen immer wieder, es gehe dabei um die Angst davor, den augenblicklichen Wohlstand zu verlieren, absteigen zu müssen. Zwar gibt es ebenso viele Gründe dafür, dass es gut weitergeht, aber das ist eben auch Glaubenssache - was wir meinen und wie wir gestimmt sind lässt sich nicht vorschreiben. Das einzige, was hilft sind gute Argumente. Wenn ich aus christlicher Sicht überlege, was gute Argumente gegen die miese Stimmung sind, fällt mir zuerst auf, dass Christsein immer damit zu tun haben muss, dass ich auf die Anderen blicke, sehe, was meine Mitmenschen brauchen und was allen gut tut. Wenn ich aber miese Stimmung verbreite und den Untergang des Abendlandes herbeirede, geht es vornehmlich um mich selbst und meine Befindlichkeit. Dann habe ich keine Lust darauf, zu analysieren und zuzuhören. Ich bin einfach wütend und pessimistisch und wer anderer Meinung ist, lügt eben oder gehört zu einem etablierten System, dass mich nur für dumm verkaufen will. Eine ganz nach innen gewandte Haltung, die das eigene Ich in den Mittelpunkt stellt. Die christliche Botschaft schickt aber nach außen, an die Ränder und in die Weite. Und sie lehrt, dankbar zu sein, für dass was mir gegeben und geschenkt ist – und eben nicht, um sich selbst zu kreisen und mit Zähnen und Klauen zu verteidigen, dass es einem selbst immer noch besser gehen muss.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25984
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