SWR2 Wort zum Tag

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Manche Menschen haben die Gabe, andere zum Lächeln zu bringen. So geht es mir mit einer jungen Frau, die mich mit ihrer Freude am Leben und ihrem Engagement sehr beeindruckt. Sie ist seit gut einem halben Jahr so etwas wie meine Patentochter. Sie kommt an den Festtagen, wir telefonieren regelmäßig, sie holt sich Rat und Unterstützung und erzählt von ihrem Leben. Sie stammt aus dem Iran und heißt Nilou.

Wir sind einander zufällig über den Weg gelaufen. Sie hat in wirklich unglaublich kurzer Zeit die deutsche Sprache erlernt und studiert inzwischen in Freiburg. Ihre größte Sorge ist im Moment, ob sie sich für den richtigen Studiengang entschieden hat, weil sie sich einfach für alles interessiert.

Sie gehört zur Bahai-Gemeinde. Der Bahai-Glaube kommt eigentlich aus dem Islam und ist Mitte des 19. Jahrhunderts in Persien entstanden. Er vertritt den Glauben an den einen Gott und geht von einer mystischen Einheit der Religionen aus. Deshalb zählen die Bahai neben dem Werk des Religionsgründers Baha’ullah auch die Heiligen Schriften anderer Weltreligionen zu ihrem religiösen Erbe. Nach dem Glauben der Bahai schöpfen alle aus derselben religiösen Quelle, die Unterschiede zwischen den Religionen sind aus ihrer Sicht historisch bedingt und kulturell ausgeprägt. Die Bahai fühlen sich dem Auftrag verpflichtet, Frieden zu stiften und den Ausgleich zwischen Kulturen und Religionen zu suchen. In ihrem Ursprungsland Iran bilden die Bahai zwar die größte religiöse Minderheit, sind aber starken Verfolgungen ausgesetzt.

Das alles musste ich erst genauer nachlesen, als ich Nilou kennenlernte. Von der großen religiösen Toleranz der Bahai wusste ich schon und auch von ihrem sozialen Engagement, mehr aber auch nicht. In Nilous Leben ist diese religiöse Verwurzelung ganz wesentlich. Nicht nur weil die Bahai-Gemeinde für sie zum Familienersatz und Freundeskreis geworden ist, sondern vor allem auch deshalb, weil ihr der Glaube, in Gott geborgen zu sein, so viel Kraft für ihr Leben gibt. Sie ist eine temperamentvolle, fröhliche, lebendige, moderne junge Frau. Und hat im toleranten und weltoffenen Bahai-Glauben einen Halt gefunden, der sie in den stürmischen Zeiten, die sie erlebt hat und noch erlebt, sicher stehen lässt. Sie kann mit Rückschlägen und Schwierigkeiten umgehen, weil sie sich getragen weiß.

Ich erlebe, wieviel Kraft ihr der Glaube gibt. Darüber bin ich sehr froh. Ich möchte, dass es ihr gut geht. Zu einem guten Leben gehört für mich, im Glauben gehalten und geborgen zu sein. Auch darin sind wir uns ganz nahe – ich, die Christin, sie, die Bahai.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23517
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