SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Sterben möchte ich eigentlich überhaupt nicht, weder bald noch in dreißig Jahren. Und doch habe ich schon mal eine Patientenverfügung geschrieben, vor meiner letzten OP. Man kommt ja nicht drumherum. Die moderne Medizin zwingt einem die Frage, wie man sterben will, geradezu auf. Natürlich will ich ohne Schmerzen sterben, bei klarem Verstand. Am liebsten zuhause. Und am liebsten so, wie der schwedische Dichter Lars Gustafsson  diesen letzten Tag, diese letzten Stunden, in einem Gedicht beschrieben hat. Gustafsson starb in diesem Jahr im April. Bis zum August hat er es nicht mehr geschafft. Dabei war ihm das so wichtig:

Es sollte nämlich ein Tag im August sein, diesem schönen Sommermonat, wo es morgens noch kühl und sonnig, dann aber schon ab zehn Uhr richtig warm ist. Es sollte ein Tag sein, an dem noch die Hummeln brummen. Und die Himbeeren sollten reif sein., wenn das Unvermeidliche geschieht. Sein Gedicht heißt: „Es soll ein Tag“ sein und beginnt so:

„Es soll ein Tag Anfang August sein, die Schwalben fort, doch eine Hummel noch irgendwo, die im Himbeerschatten ihren Bogen ausprobiert. Ein leichter, doch nicht hartnäckiger Wind soll über die Wiesen des August gehen.“

Es liegt schon so viel Trost in diesen wunderbar weichen Worten: Hummeln, Himbeeren, Wiesen. Aber mehr noch darin, dass man in dieser Stunde nicht alleine ist:

„Du sollst da sein, aber du sollst nicht viel reden, mir nur ein wenig über die Haare streichen und mir in die Augen sehen mit diesem kleinen Lächeln zuinnerst in den Augenwinkeln.“

So würde ich das auch wollen. Es ist nicht schön, glaube ich, zu sterben, wenn die Freunde laut weinend am Bett stehen oder wenn sie einem immer mit dem „Du musst kämpfen“ in den Ohren liegen. Ich glaube, was mir gut tun würde, wäre: Ruhe, einfach Ruhe. Nicht viel reden, aber einer sollte schon da sein, ich wüsste auch schon wer, und mir ganz leicht über die Haare streichen. Das Schönste dabei aber wäre: in ein lächelndes Gesicht zu schauen. „Und dann will ich nicht ohne Erleichterung diese Welt verschwinden sehen“ , heißt es in  Gustafssons  Gedicht am Ende. Beim letzten Ausatmen denken: schön, das war`s, die Welt mit ihren Hummeln und Himbeeren, mit ihrem Augustwind und mit dir. Aber es ist nicht schade drum, dass nun auch der Rest verschwindet: Leid, Geschrei und Schmerzen. Diese Welt verschwinden sehen – und schauen, ob Gott dann tatsächlich alles neu macht.

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