SWR2 Wort zum Tag

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„Verzeihen ist die Antwort auf den Kindertraum vom Wunder, wodurch das Zerschlagene heil wird und das Schmutzige rein.“  Diesen Satz finde ich im Tagebuch  von Dag Hammarskjöld, dem damaligen UNO-Generalsekretär. Sein Todestag  jährt sich jetzt  zum 55. Mal. Immer wieder entdecke ich solch faszinierende Merksätze in  seinen Aufzeichnungen. Alles dreht sich  für den Politiker darum, Vergebung zu lernen. Denn ohne die gibt es keinen Frieden. Und wir alle, meint Hammarskjöld, haben den Kindertraum  vom Frieden in uns: das Wunder,  dass doch wieder  heil werde, was in die Brüche gegangen ist oder was  kaputt gemacht wurde. Ebenso möge doch, was dreckig ist,  wieder rein werden.  Warum auch sonst sagen die  Eltern ihrem Kind, das auf die Nase geflogen ist: „es wird alles wieder gut“. Genau dafür war  Hammarskjöd unterwegs, dass endlich alles wieder gut wird in einer friedlosen Welt. Je größer  dabei die Widerstände waren, desto entschiedener hielt   der Friedenspolitiker an seiner Überzeugung fest: der Schlüssel zum  Menschheitstraum namens Frieden heißt  Vergebung – und die ist, wo sie gelingt, immer etwas Wunderbares.  Zu groß ist das Konfliktpotential, zu massiv die Krisen und vor allem die Angst vor  dem ersten Schritt auf den anderen zu. Wer dächte da  gegenwärtig nicht an die Misere in Syrien!  Aber vergessen wir den Kleinkrieg in Beziehungen nicht, und oft auch am Arbeitsplatz. Vergessen wir auch die inneren Kriegsschauplätze nicht, wo Menschen ständig im Clinch sind  mit sich selbst, unzufrieden und hadernd.

„In einem solchen Sinn bedürfen wir der Verzeihung und müssen sie geben“, heißt es weiter im Tagebuch heißt es weiter: „Im Erleben Gottes steht nichts zwischen ihm und uns, es  w i r d   uns verziehen. Aber wir  k ö n n e n   ihn nicht erleben, wenn irgendetwas zwischen uns und anderen stehen darf.“ Es herrscht also, will Hammarskjöld sagen, ein tiefer Zusammenhang zwischen der Bereitschaft, anderen zu verzeihen, und selbst um Vergebung bitten zu können. Wie könnte ich auch von anderen erwarten wollen, was ich selbst nicht gebe? Aber beider lässt sich nicht einfach machen oder gar erzwingen: es wird uns ermöglicht, ja geschenkt, wenn wir uns dafür öffnen und öffnen lassen. Spätestens da kommt das Geheimnis Gottes ins Spiel, der die Vergebung selber ist und sie schenkt, wo man ihn darum bittet. Entsprechend heißt die Vaterunser-Bitte Jesu nach Matthäus ziemlich paradox:  „Vergib uns unsere Schuld wie auch wir vergeben  h a b e n   unseren Brüdern und Schwestern“. Gottes Vergebung wird konkret im Mut, einander zu verzeihen und sich mit sich selbst versöhnen zu lassen. Nur so erfüllt  sich der Kindertraum vom Welt- und Seelernfrieden. Dafür lebte und starb Dag Hammarskjöld.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22636
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